Agile Methoden in der Unternehmenskommunikation
Wie Kommunikatoren Scrum, Design Thinking und Kanban im Tagesgeschäft nutzen können
Wenn heute über Komplexität und die veränderte Arbeitswelt geschrieben wird, fällt oft der Begriff VUCA-Welt. Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity beschreiben die Mechanismen, die auf die Wirtschaft einwirken. Mit den veränderten Herausforderungen für Unternehmen wandeln sich auch Methoden und Prozesse. Die „New Work“ Bewegung hat auch die Veränderungen unter den Mitarbeitern und ihre neuen Rollen analysiert.
Vor diesem Hintergrund wandelt sich die Rolle von Kommunikatoren in Unternehmen. Der Bedarf nach Vermittlung nimmt zu – eine Kernaufgabe der Unternehmenskommunikation. Gleichzeitig kommen Methoden wie das Projektmanagement immer stärker an ihre Grenzen. Bei der Frage nach geeigneten Methoden für den Einsatz in der VUCA-Welt, sind agile Methoden die Antwort. Der Ursprung dieser Methoden liegt im Jahre 2001, als 17 Vordenker ihre gebündelten Werte und Ideen im „agilen Manifest“ formulierten. Die vier Werte und zwölf Prinzipien aus dem Manifest konkretisieren die Vorstellung von Agilität näher. Ursprünglich stammt Agilität aus der Software-Entwicklung.
Heute sind agile Methoden in der Managementtheorie angekommen. Während die interne Kommunikation in vielen Unternehmen noch zögerlich reagiert, wenden aktuell nur wenige Leuchtturm-Unternehmen wie die Deutsche Telekom und Comdirect agile Methoden an. Zur Umsetzung von Agilität in Organisationen gibt es eine Vielzahl von Methoden. Zu den am weitesten verbreiteten gehört Scrum.
Von Sprints und selbstorganisierten Teams
Scrum ist eine Methode, um komplexe, adaptive Probleme zu lösen. Dazu zerlegt Scrum den Entwicklungsprozess eines Produkts in maximal vierwöchige Schritte, die sogenannten „Sprints“. Hier liegt der Unterschied zum klassischen Projektmanagement. Statt das Produkt bis in die Einzelheiten hinein zu spezifizieren, werden lediglich wesentliche Funktionalitäten festgelegt, um sie danach weiterzuentwickeln. Die kurzen, produktiven Entwicklungszyklen beinhalten Reflexionsphasen für die kleinen, selbstorganisierten Teams. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie cross-funktional denken und arbeiten – auch jenseits ihrer Kernkompetenzen.
Das Team organisiert seine Aufgaben komplett selbst, Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und Kundenfeedback integriert. Scrum ist ein kundenzentrierter Ansatz. So ist der Kunde jederzeit in den Prozess involviert. Zudem ist am Ende eines Zyklus jeweils ein Teil des Produkts fertig, das der Kunde bereits einsetzen kann. Die Rollen im Team sind klar verteilt – und nicht hierarchisch: Der Scrum Master hilft dem Team beim Erreichen der Ziele und löst die Hindernisse und Blockaden, die sich für das Team ergeben – ohne dabei dem Team gegenüber weisungsbefugt zu sein. Der Product Owner koordiniert das Team auf täglicher Basis hinsichtlich der Produktentwicklung und der Reihenfolge der zu liefernden Bestandteile. Das Entwicklungsteam liefert das Produkt. Entsprechend des Pull-Prinzips legt es selbst die Arbeitsmenge fest, die innerhalb eines Sprints geschafft und welche Produktteile geliefert werden sollen. Das Team verpflichtet sich auf die vereinbarten Richtlinien des Projekts und liefert nach jeder Zeiteinheit ein Produktteil aus.
Produktiver mit Prototyping
Neben diesem produktorientierten Ansatz gibt es weitere agile Methoden, die die Unternehmenskommunikation im Tagesgeschäft nutzen kann. Viele Führungskräfte kennen den Ablauf von Ideenfindungs- und Entwicklungsprozessen, die zu ineffizienten, endlosen Entwicklungszeiten führen. In vielen deutschen Unternehmen hat gerade in den letzten Jahren Design Thinking Einzug gehalten und dient als wichtiger Impulsgeber für eine innovative Unternehmenskultur.
Design Thinking ist ein strukturierter Ansatz zur Erarbeitung von Lösungen für komplexe Probleme, der sich in iterativen Schleifen vollzieht. Im Mittelpunkt steht dabei der Nutzer. Klassischerweise wird der Ansatz im Workshop-Format praktiziert. Zu Beginn eines Design Thinking Prozesses bildet sich ein Expertenteam, welches verschiedene Blickwinkel auf ein Produkt (oder Dienstleistung) vereint. Das multidisziplinäre Team ist hierarchiefrei und lebt eine gesunde Fehlerkultur. Der iterative Prozess des Design Thinking besteht in der Regel aus sechs Schritten:
- Verstehen: Eine geeignete Fragestellung wird formuliert und das Problem erfasst – und so Herausforderungen und Ziele des Projekts festgelegt.
- Beobachten: Eine intensive Recherche und Feldbeobachtung fördert wichtige Erkenntnisse zutage.
- Point-of-View: Die Beobachtungen werden operationalisiert und auf einen einzelnen, prototypischen Nutzer heruntergebrochen.
- Ideenfindung: Im Kern von Design Thinking liegt das Brainstorming, um unterschiedliche Konzepte zu entwickeln und zu visualisieren.
- Prototyping: Zeitnah beginnt die Fertigung einfacher Prototypen zum Testen und Veranschaulichen der Ideen.
- Verfeinerung: Die Prototypen können somit bereits frühzeitig an der Zielgruppe getestet werden – um ein optimales, nutzerorientiertes Produkt zu schaffen.
Durchfluss statt Kapazität
Während Scrum und Design Thinking agile Methoden sind, die sich besonders für nutzerorientierte Ideenfindungsprozesse eignen, ist Kanban eine Methode zur Prozesssteuerung. Dabei setzt Kanban an einem häufigen Fehler bei der Tagesplanung an: Freie Zeit wird mit Kapazität gleichgesetzt. Hätte beispielsweise eine typische Autobahn, die etwa zu 50 Prozent mit Autos gefüllt ist, eine Kapazität von 100 Prozent? Nein, denn dann wäre die Autobahn ein Parkplatz. Stattdessen lässt sich Arbeit besser mit Verkehr und mit Durchfluss beschreiben.
Im Umfeld von Automobilen begann auch die Geschichte von Kanban. Taiichi Ohno entwickelte 1947 das Prinzip der Prozesssteuerung in der Toyota Motor Corporation. Kanban bedeutet im Deutschen so viel wie „Karte“. Mit Kanban steuerte Toyota die Produktion flexibler und effizienter und optimierte sie nachhaltig.
Heute können Teams mit Kanban erfolgreich ihre Aufgaben strukturieren und Projekte steuern. So entsteht ein positiver Beitrag zur Wertschöpfung. Regelmäßig führt das Team kurze, effektive Stand-ups durch. Jedes Teammitglied berichtet vom Stand der eigenen Aufgaben. Im Gegensatz zum klassischen Projektmanagement wird kein Projektleiter benötigt. Teams sind bei Kanban in der Lage, sich selbst zu organisieren. Ein Projektleiter eignet sich hauptsächlich für die Kommunikation mit Auftraggebern.
Prozesssteuerung nach dem Pull Prinzip
Um einen optimalen Workflow zu generieren, durchläuft jede Aufgabe den festgelegten Kanban-Zyklus. Er umfasst die folgenden Schritte: Alle anstehenden Aufgaben werden zunächst auf Karten geschrieben und auf dem Kanban-Board in der Spalte Backlog gesammelt. Hier werden sie gegebenenfalls so lange in ihre Einzelteile runtergebrochen, bis der Anwender einen guten Überblick erhält und entstehende Probleme erkennt.
In der Spalte „To-do” stehen die priorisierten Aufgaben. Work in Progress (WIP) ist die kritische Größe bei Kanban. Für jedes Teammitglied bezeichnet sie die limitierte Anzahl der Tickets, die gleichzeitig bearbeitet werden dürfen. Entsprechend des Pull-Systems werden Aufgaben nur bis zur kritischen Größe angenommen – unabhängig vom Anforderungsprofil. Im nächsten Schritt werden Aufgaben aus „To-do” nach „In Arbeit” verschoben. Wenn eine Aufgabe abgearbeitet ist, zieht sich der Anwender entsprechend des Pull-Prinzips die nächste Aufgabe. Eine abgeschlossene Aufgabe wandert in die Spalte „Fertig”.
Das ständige Reflektieren der vorherigen Zyklen und die kurzen Durchlaufzeiten der Arbeitspakete tragen ebenso zur Steigerung der Produktivität bei wie die hohe Transparenz über den Status des Projekts. Der Anwender erhält beim Kanban-Zyklus laufend Rückmeldungen. Dies hilft, das eigene Vorgehen kontinuierlich zu optimieren. Gleichzeitig kann jederzeit flexibel auf Probleme reagiert werden. Kanban steigert die Eigenverantwortung der Mitarbeiter und trägt zu einer gesunden Unternehmenskultur bei.
Die Auswahl zeigt die Vielfalt der agilen Methoden. Auch Kommunikatoren können Scrum, Design Thinking und Kanban im Tagesgeschäft nutzen und zur Wertschöpfung der internen Kommunikation im Unternehmen beitragen. In der agilen Welt liegt das Wachstumspotential der Rolle des Kommunikators immer stärker außerhalb der Kommunikationsprojekte/-abteilungen. Die interne Kommunikation ist wie keine andere Abteilung dafür prädestiniert, das Prinzip der Agilität ins Unternehmen zu tragen. Denn für die Herausforderungen der VUCA Welt braucht es Kommunikatoren, die agile Methoden erfolgreich im Unternehmen etablieren.
.Daniel Konrad ist Seniorberater bei JP|KOM in Frankfurt. Als Leiter Strategie/Geschäftsentwicklung und Sprecher am Standort Frankfurt berät er Kunden in den Bereichen Veränderungskommunikation, Interne Kommunikation und Digitale Transformation. Außerdem publiziert er regelmäßig u.a. in Konrads-Management-Kolumne bei t3n.
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