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„Wen interessiert denn so was?“ – Compliance, Integrity und Corporate Responsibility kommunikativ verankern

Compliance, Integrity, Corporate Responsibility
Bild: Unsplash

„Gesetze sind einzuhalten.“ „Wir folgen unseren Werten“. „Gesellschaftliche Verantwortung ist uns Verpflichtung“. Und so weiter. Derlei Botschaften würden vermutlich in nahezu jedem Redaktions-Meeting zur internen Kommunikation aussortiert. „Ist doch selbstverständlich“, „total langweilig, das will niemand lesen“, „viel zu bevormundend“, „komplett beliebig“: So in etwa dürften die Kommentare in den meisten Unternehmen ausfallen, wenn Initiativen zu Compliance und Integrity die internen Kommunikationskanäle für ihre Anliegen nutzen wollten.

Und genau das ist bedauerlich. „Compliance“, also die konsequente Einhaltung von Gesetzen und vergleichbaren Standards und Vorgaben, oder gar „Integrity“, also eine an ethischen Prinzipien orientierte Grundhaltung, sind keineswegs selbstverständlich. Uns allen sind prominente Skandale wie die Wirecard-Betrügereien oder die Fälschung von Abgaswerten durch Automobilkonzerne und deren Zulieferer lebhaft vor Augen. Dabei stellen solche Beispiele mit ihrer ausgeprägten öffentlichen Aufmerksamkeit nur die Spitze des kriminellen Eisbergs dar. Das belegen die fast 50.000 Fälle von Wirtschaftskriminalität mit einer Schadenssumme von rund 3 Mrd. € allein im Jahr 2020 (Quelle: statista.com/wirtschaftskriminalitaet).

Auch Führungskräfte sehen die Situation kritisch, wie u.a. eine Studie der Hochschule Darmstadt in Kooperation mit der Kommunikationsagentur A&B One aus dem Jahr 2019 ergab:

  • 51% der befragten Führungskräfte (n = 351) gehen davon aus, dass es heute häufiger als vor 10 Jahren Missstände und Skandale in der Wirtschaft gibt.
  • Die Befragten sehen bei der Einhaltung von Regeln und Gesetzen am häufigsten Verbesserungsbedarf, deutlich vor Nachhaltigkeit und Diversity. Dabei korreliert die Awareness mit der Hierarchie: Führungskräfte übergeordneter Ebenen setzen die Einhaltung von Regeln und Gesetzen noch häufiger auf Platz 1 als rangniedrigere Führungsebenen.
  • Als Hauptursache für ihre Skepsis nominieren 81% der Befragten die zu hohen Gewinnerwartungen bzw. zu hohe Zielvorgaben (77%).

Und das soll kein Thema für die interne Kommunikation sein?

Nicht selten lässt sich der Eindruck gewinnen, als seien die vollmundigen Bekenntnisse zu Compliance und Integrity, die sich in den Leitbildern und vergleichbaren Deklarationen finden, lediglich leere Floskeln. Haben wir also ein weiteres Beispiel dessen vor uns, was der Bielefelder Soziologe Stefan Kühl als „Schauseite“ des Unternehmens bezeichnet? Anders gefragt: Was braucht es, damit Compliance nicht nur nach außen behauptet, sondern auch in der Organisation eine gelebte Realität wird?

Klar, diese rhetorische Frage wäre kein Kandidat für die 100.000-Euro-Frage in einem Fernsehquiz: Es braucht Kommunikation.

Vorsicht Praxis: Wenn Verlautbarungen nicht reichen

Die aus Gesetzen und vergleichbaren Standards resultierenden Aufgaben und Herausforderungen bezüglich Compliance und Integrity lassen sich nicht mit ein paar kernigen Aussagen im Leitbild erledigen: Sie müssen Gegenstand von Management und Kommunikation sein. Und zwar als Dauerthema und nicht als kommunikative Eintagsfliege, die auf die Unternehmenswerte verweist und fertig. Ohne geregelte Prozesse, stabil eingerichtete Strukturen und sichere Kommunikationspfade geht es nicht: Diese drei Säulen jeder stabil und resilient etablierten Organisation sind auch für rechtskonformes Verhalten unabdingbar. Exemplarisch aufgezeigt sei dies anhand von drei konstruierten, gleichwohl aus erlebter Praxis abgeleiteten Fällen:

Bestechung oder nicht?

Ein großes Produktionswerk wartet dringend auf die Anlieferung von Bauteilen, die in einem asiatischen Land hergestellt wurden. Das Frachtschiff liegt jedoch im Hafen fest. Aus einem nicht nachvollziehbaren Grund lässt die Hafenmeisterei das Schiff nicht ablegen. Die Zeit wird immer knapper, Lieferverzug ist bereits in Sicht, ambitionierte Pönalen drohen. Eine Mitarbeiterin aus der Beschaffungslogistik weist auf sichere Quellen hin, die belegen, dass es nur mit Bestechung weitergehe. Und die sei in dem fraglichen Land nicht mal strafbar.

Wie ist die Auseinandersetzung zu gestalten, welche Rolle könnte ein IK-Bereich wahrnehmen?

Vorteilsnahme oder nicht?

In langen Jahren vertrauensvoller Zusammenarbeit ist ein fast schon freundschaftliches Verhältnis zwischen einem Forschungsdienstleister und dem Auftraggeber, einem Unternehmen der Pharmaindustrie, entstanden. Nicht nur sind die Forschungsdienstleistungen von exzellenter Qualität: Auch wenn es mal sehr schnell gehen muss, wird geliefert, notfalls auch über das Wochenende. Der Forschungsdienstleister ist Vereinsmitglied eines erfolgreichen Bundesligavereins, der regelmäßig die Champions-League erreicht. Als der Verein den FC Barcelona in der Vorrunde zugelost bekommt, lädt der Forschungsdienstleister seinen Auftraggeber aus dem Dienstleistungseinkauf zum Besuch des Fußballspiels ein.

Hat der IK-Bereich konkrete Leitfäden und Handlungshilfen ausgearbeitet bzw. initiiert und bereitgestellt, damit solche Fragen beantwortet werden können?

Lieferengpässe hinnehmen oder ein nicht genehmigtes Gefahrstofflager betreiben?

Für bestimmte Bauteile benötigt ein Teilefertiger ätzende Reinigungsmittel, für deren Lagerung die Produktionsgenehmigung der zuständigen Behörde nur eine bestimmte Höchstmenge zulässt. In jüngerer Zeit kommt es immer wieder zu Lieferengpässen bei dieser Chemikalie. Ein Verbesserungsvorschlag eines Mitarbeiters fordert dazu auf, die Lagermenge zu erhöhen, um den drohenden Lieferverzögerungen entgegenzuwirken. Der Vorschlag würde das Problem sofort lösen, doch die genehmigte Höchstmenge an gelagerten Gefahrstoffen würde überschritten

Ist die Bereitstellung von entsprechendem Wissen – hier: über regulatorische Rahmenbedingungen bezüglich der Lagerungshöchstmengen von Chemikalien – als IK- Aufgabe anerkannt und wird diese engagiert wahrgenommen?

Schon hier zeigt sich, dass es (organisationsinterne) Kommunikation ist, durch die Prozesse getragen wie auch vermittelt werden; die Grundlage der gelebten Realität von Strukturen und Gremien ist (denn die treffen sich, um zu kommunizieren); die sicher und repressionsfrei möglich sein muss, wenn es um Compliance geht. Und es ist die organisationsinterne Kommunikation, die all das im handlungsanleitenden Detail wie auch in seinen Zusammenhängen erklären muss.

Ein weiterer kommunikativer Touch Point: Stakeholder erwarten Compliance

Dabei müssen interne wie externe Kommunikation koordiniert werden. Längst erwarten Auftraggeber*innen im b2b-Geschäft von ihren Lieferanten und Dienstleistern uneingeschränkte Gesetzestreue, also Compliance. Schon seit geraumer Zeit treffen große Unternehmen und Konzerne, zunehmend aber auch Mittelständler – von öffentlichen Auftraggebern nicht zu reden – ihre Kaufentscheidungen aufgrund des Legal Footprints der Anbieter*innen: Wer etwa mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert wurde, Umweltstraftaten begangen oder illegale Beschäftigungsverhältnisse zu vertreten hat, gelangt als Zulieferer gar nicht erst in die engere Auswahl. Leicht zugängliche Quellen wie etwa das Wettbewerbsregister stellen Informationen über nachgewiesene Compliance-Fälle bereit. Zusätzlich machen Investor*innen und Rating-Agenturen Druck, indem sie mittlerweile Compliance hoch gewichten, wenn es um Investitionsentscheidungen geht.

Auch im Endkundengeschäft wird Compliance zu einem ausschlaggebenden Faktor für die Kaufentscheidung. Mögen aktuell Klimaschutz und CO2-Footprint die öffentlichen Diskussionen beherrschen, so will doch niemand mehr Produkte von Unternehmen erwerben, die direkt oder indirekt als korrupt gelten, die gegen Menschenrechte verstoßen (Beispiel Kinderarbeit) oder frauenfeindlich, homophob oder rassistisch agieren.

Und nicht nur der Markt will Compliance: Führungskräfte, Mitarbeitende und nicht zuletzt junge Talente kehren solchen Unternehmen den Rücken, die sich nicht an Gesetze halten. Compliance ist längst zu einer zentralen Säule der Wertschöpfung geworden. Aber oftmals bleibt das unbemerkt, denn unmittelbar betriebswirtschaftlich messbare Vorteile hat Compliance nur selten. Im Gegenteil, non-Compliance verschafft sogar mindestens kurzfristige Vorteile (siehe die konstruierten Praxisbeispiele oben). Mittel- und langfristig rechnen sich Gesetzesverstöße und ethisch fragwürdiges Handeln jedoch nicht: Umsatzeinbußen, ein für lange Zeit beschädigtes Image, Zurückhaltung und schlechtes Ranking bei Investoren und Kapitalgebern sowie Skepsis und Misstrauen bei Beschäftigten und solchen, die es werden sollten, sind die Konsequenz.

Integrity, Compliance und Corporate Responsibility

Spätestens seit dem World Summit 1992 in Rio kann das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit als global etablierter Konsens Gültigkeit beanspruchen. Diese drei Säulen sind bekanntermaßen: Ökologie, Ökonomie und gesellschaftliche Verantwortung. Der öffentliche Diskurs wird derzeit stark von der Säule der Ökologie bestimmt – und das ist gut so. Doch müssen alle drei Säulen in ihrer Gesamtheit ausbalanciert werden, weil anderenfalls Ungleichheit die Konsequenz wäre. Es liegt auf der Hand, dass die Einhaltung von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften integraler Teil einer aufrichtig wahrgenommenen gesellschaftlichen Verantwortung ist.

Es wäre also unzutreffend zu glauben, dass Integrity Management zusätzlich zu Nachhaltigkeit einzurichten ist. Es ist anders herum: Ein Nachhaltigkeitsmanagement, das auf Integrity und Compliance verzichtet, wäre unvollständig. Übrigens liegt in dieser Erkenntnis der wesentliche Grund dafür, dass „Sustainability“ auch unter dem Etikett „Corporate Social Responsibility“ (CSR) geführt wird. Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist nur gewährleistet, wenn gesellschaftliche Verantwortung ein Haupttreiber des unternehmerischen Handelns ist. Integrity und Compliance gehören dazu.

Auch andere, eng mit „Sustainable Development“ verbundene Ansätze wie „Social Responsibility“ oder „Corporate Citizenship“ weisen darauf hin, dass ein konsequenter Nachhaltigkeitsansatz nur mittels „Integrity“ in Anspruch genommen werden kann. Eindringlich sei deshalb herausgestellt, dass es sehr gute Gründe dafür gibt, Compliance und Integrity als Bausteine im Nachhaltigkeitsmanagement sowie in der Nachhaltigkeitskommunikation anzuerkennen.

Ich wiederhole mich: Wer jetzt noch glaubt, dass Compliance und Integrity kein Thema für die interne Kommunikation sind, muss sich den Vorwurf einer unterkomplexen Sichtweise gefallen lassen.

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