Sechs Tipps für den Umgang mit Kulturveränderungen
Kultur ist faszinierend: Sie ist schwer nachzuweisen, beeinflusst aber unser Handeln oft mehr als uns lieb ist. Ihr Einfluss auf die Rentabilität ist groß und dabei zählt sie „nur“ zu den weichen Faktoren. Und wenn es „irgendwie“ im Unternehmen nicht klappt, steht sie am Pranger. Ist es aber tatsächlich möglich – so einfach wie die Überschrift suggeriert –, zu einer angemessenen Unternehmenskultur zu kommen?
Unmöglich ist es nicht, aber ganz so einfach dann doch nicht. Je fester die Unternehmenskultur verankert ist – was im ersten Moment positiv erscheint –, desto stärker sind die Bestrebungen, die Kultur beizubehalten. Es braucht für Kulturveränderungen Wissen und Kompetenz, Geduld und Zeit.
Kultur. Worüber sprechen Sie?
Wer sich mit Kultur in Unternehmen beschäftigen will, sollte zumindest unter den Hauptbeteiligten für ein einheitliches Verständnis sorgen. Was verstehen Sie unter Kultur? Welche Bedeutung hat der Begriff? Am besten organisieren Sie einen Workshop mit überschaubarer Teilnehmerzahl. Klären Sie das Verständnis und das weitere Vorgehen, auch wie Sie die MitarbeiterInnen am besten einbinden wollen. Wie diese Diskussion abläuft, wird schon viel über einen Aspekt Ihrer Kultur – der Gesprächskultur – zeigen.
Für die Diskussion könnte eine gängige Definition hilfreich sein. Es gibt unzählige Konzepte, von denen mir das von Edgar Schein am besten gefällt. Er gilt als einer der Mitbegründer der Organisationsentwicklung und definiert Kultur so: „Kultur ist die Summe aller gemeinsamen, selbstverständlichen Annahmen, die eine Gruppe in ihrer Gemeinschaft erlebt hat.“
Analyse. Worum geht es?
Edgar Schein unterscheidet bei der Organisationskultur drei Ebenen:
• Artefakte
• Öffentlich propagierte Werte
• Grundlegende unausgesprochene Annahmen
Die Ebene der Artefakte lässt am meisten Interpretationsspielraum zu und eignet sich für erste Hypothesen. Ein Beispiel: Sie kommen neu in ein Unternehmen und die Tür des Geschäftsleiters steht offen. Ohne weitere Informationen bleibt dies nur eine Beobachtung. Was dahinter steckt, ist zunächst unklar: Herrscht eine Kultur der „Offenen Tür“ oder wollte der Geschäftsleiter kurz durchlüften?
Die Ebene der öffentlich propagierten Werte ist sicht- oder lesbar, zum Beispiel in Leit- und Führungsbildern, in dokumentierten Strategien oder in der festgeschriebenen Mission. Ob es sich bei den oft sehr professionell gestalteten Maßnahmen um Papiertiger handelt, hängt von der dritten Ebene ab: die grundlegenden unausgesprochenen Annahmen.
Diese Ebene ist schwerer zugänglich. Hier liegt die Begründung für ein Verhalten, welches im Laufe der Zeit selbstverständlich geworden ist. Eine Erklärung fällt oft schwer. „Wir haben das doch schon immer so gemacht“, ist eine typische Aussage. Wenn bestimmte Lösungen immer wieder gelingen, sind sie irgendwann selbstverständlich und zu einer Grundannahme geworden. Aber was, wenn es nicht mehr funktioniert? Dann müssen diese alten Muster offensichtlich gemacht und entschlüsselt werden.
Fokus. Auf was konzentrieren Sie sich?
Sinnvoll bei Kulturveränderungen ist es, sich zunächst einzelne Kulturfaktoren herauszugreifen. Fangen Sie übersichtlich an und üben Sie, Ihren Blick zu schärfen, besonders für die Ebene der Grundannahmen. Welche Muster könnten vorliegen? Welche Grundannahmen könnten dahinter stecken?
Für eine Fokussierung kann Edgar Schein mit seinem Konzept wieder hilfreich sein. Er unterscheidet verschiedene Dimensionen, wie z.B. die Verteilung von Macht und Status, das Wesen vom Raum, Zeit und Beziehungen. In seinem Fachbuch „Organisationskultur“ (EHP Organisation, 2010) zeigt er leicht verständlich die verschiedenen Möglichkeiten auf.
Planung. Ist sie maß- und sinnvoll?
Die Planung einer Kulturveränderung ist nicht schwer. Ob sie sich tatsächlich so umsetzen lässt, ist eine andere Frage. Da Unternehmen soziale Systeme sind, können wir nicht genau vorhersagen, wie Maßnahmen und Interventionen greifen. Planen Sie deswegen mit viel Luft für Unvorhergesehenes, besonders für den Umgang mit Widerstand. Je fester die Kultur verankert ist, desto stärker werden die beharrenden Kräfte sein. Achten Sie also auf Zeichen des Widerstandes: Welche Symptome können Sie erkennen? Was läuft verdeckt ab? Und was könnten die Ursachen sein? Kulturveränderungen brauchen vor allem Zeit.
Leitbild. Reicht das schon?
Sobald etwas im Unternehmen mit den MitarbeiterInnen oder den Führungskräften nicht rund läuft, wird gerne ein Leitbild entwickelt. Sofern dieser Prozess ernst genommen wird und auch mit der gedruckten Version nicht im Schreibtisch verschwindet, ist nichts dagegen einzuwenden. Wurden allerdings die Grundannahmen auch ausreichend berücksichtigt?
Nehmen wir das Beispiel Besprechungskultur: Gemeinsam vereinbarte Besprechungsregeln werden nur dann greifen, wenn Grundmuster geklärt sind: Was hindert die TeilnehmerInnen daran, eine Agenda festzulegen? Was bräuchten sie, um die festgelegte Zeit einzuhalten? Wie kann es gelingen, dass zeit- und raumgreifenden Personen Rücksicht nehmen?
Ganzheitlichkeit. Was beeinflusst sich?
Beachten Sie bei Kulturveränderungen das Ordnungssystem der Internen Kommunikation, welches sich natürlich auch auf das komplette Unternehmen übertragen lässt:
Alle drei Ordnungsnormen beeinflussen sich und hängen von einander ab. Für eine Verbesserung brauchen Sie unterschiedliche Herangehensweisen, die nicht trennscharf sind. Kulturveränderungen benötigen in erster Linie die Methodik des Veränderungsmanagements, (kommunikative) Strategie braucht die Methodik der Strategieentwicklung und des Kommunikationsmanagements und die Strukturen und Prozesse das Organisationsmanagement. Kulturveränderungen sind Herausforderungen, die man nicht unterschätzen darf und die interne Ressourcen binden. Sie müssen berücksichtigt werden, spätestens wenn die Kultur in eine Schieflage geraten ist. Empfehlenswert ist natürlich ein präventives Vorgehen.
Ulrike Führmann ist Expertin zu allen Themen rund um die Interne Kommunikation und arbeitet als Beraterin, Fachbuchautorin und Dozentin.