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Das Bundestrainer-Syndrom: Wenn es mal wieder alle besser wissen als die Expert*innen selbst

Das Bundestrainer-Syndrom
Bild: Unsplash

Tipps wie es trotzdem gelingt, eine moderne Interne Kommunikation aufzubauen, von Sandrina Mahlberg, Leiterin Interne Kommunikation & Change Management DB Regio.

Es ist wie im Fußball. Bei Kommunikation können alle mitreden. Problematisch wird es, wenn die Expert*innen nicht mehr gehört werden. Das ist nicht nur frustrierend, sondern birgt die Gefahr, dass Kommunikation ihre Wirkung verfehlt. In heißen Veränderungsphasen, wie der Neuausrichtung der Internen Kommunikation, nicht ganz trivial. Meine Erfahrungen, wie wir mit „Bundestrainer*innen“ umgehen und uns freispielen.

Ein Bewusstsein schaffen für das, was nicht gut läuft

Wenn die Chefetage denkt, ist doch prima wie es läuft, braucht es besonders viel Mut, die Probleme anzusprechen. Und gerade dann ist es elementar, ein Problem-Bewusstsein zu schärfen. Zahlen zur Reichweite und erste Gespräche mit der Zielgruppe bringen Argumente, die wir in entscheidende Botschaften verpacken können. In unserem Fall: „Wir erreichen unsere Mitarbeitenden nicht mehr, weil viel zu viel auf dem Markt ist.“ Eine erste Reaktion kommt unweigerlich und damit hoffentlich das entscheidende Mandat: Das Problem zu lösen. Das erste Ziel ist erreicht.

Tiefer tauchen und Probleme vergemeinschaften

Wenn Prozesse laufen und sich einmal eingespielt haben, gibt es kaum Veränderungsdruck. Da mögen die Vorgänge noch so unsinnig und ineffizient sein. Umso wichtiger, auf Arbeitsebene Probleme zu vergemeinschaften. Wie läuft die Zusammenarbeit? Wo gibt es Ineffizienzen, Strömungsabrisse? In einem Workshop haben wir mit allen beteiligten Kommunikator*innen erste Handlungsfelder identifiziert. Wenig überraschend hatten viele die gleichen Probleme und eine erste Erkenntnis lag im Raum: Einfacher wäre es, gemeinsam die Probleme anzugehen, anstatt jede*r für sich.

Lust machen auf das, was kommt – bei Entscheider*innen und Kommunikator*innen

Was haben wir eigentlich davon, dass wir hier alles verändern? Auf diese Frage brauchen die unterschiedlichen Stakeholder*innen Antworten. Aufschluss kann die „empathy map“ geben – ein Canvas, um Bedürfnisse, Wünsche und Ängste von Zielgruppen besser einzuschätzen und Ableitungen auf die Frage „What’s in there for me?“ zu formulieren.

Helfen kann auch ein Blick über den Tellerrand und Best-Cases. Gute Erfahrungen habe ich zum Beispiel mit Ausflügen in andere Redaktionen gemacht. Das ist simpel: Alle einpacken und einen TV- oder Radiosender um die Ecke besuchen oder ein Unternehmen, das schon erfolgreich unterwegs ist. Die Eindrücke und der Austausch sorgen für neuen kreativen Schwung und Antrieb. Auch neue Formate zur Info-Weitergabe im Laufe des Veränderungsprozesses können helfen. Auf eine Videobotschaft, die ich kurzerhand aufnahm und verschickte (anstatt einer Mail), gab es viel positive Rückmeldung und Neugierde, wie das umzusetzen sei.

Storytelling gepaart mit Zahlen, Daten und Fakten

Geschichten wirken besonders stark, weil sie einfache Muster bedienen, die unser Gehirn bereits kennt. Der Effekt: Wir identifizieren uns mit der Hauptfigur und können Freude oder Frust besser verstehen. Dabei geht es nicht darum, irgendeine Geschichte zu erzählen, sondern die Faktenlage mit einer Person zu verknüpfen. Quantitative und qualitative Umfragen mit der Zielgruppe geben Aufschluss: Welche Formate und Kanäle sind gewünscht? Wann und wo wird konsumiert? Daraus entstehen Geschichten, die veranschauchlichen, dass viele Informationen über viele Kanäle nicht die Lösung sein können.

In unserem Fall war das Kalle aus der Werkstatt, der früher alle Infos immer ganz einfach auf dem schwarzen Brett vor Ort gefunden – Heute geht Kalle in der Kanalwelt unter und kann die Informationen nicht mehr filtern und verarbeiten. In unserer schnelllebigen, digitalen Welt kann sich jede*r mit Kalle identifizieren und spürt seinen Schmerz und Frust.

Kommunikations-Samples

Stell dir vor, du hast noch nie Zimtschnecken gegessen. Woher sollst du wissen, dass sie so verdammt gut sind? Wir rücken das Unbekannte einfach ins Bewusstsein und lassen mal probieren. Bevor wir also die komplette Kommunikation umkrempeln, sorgen wir für kleine Veränderungshappen, die Lust auf mehr machen. Im besten Fall ist dies etwas, dass dir easy von der Hand geht, was schnell und einfach umzusetzen ist und wo du schon Erfahrung hast. Unser erstes Kommunikations-Sample war der Neuaufschlag eines toolgenerierten E-Mail-Newsletters für Führungskräfte. Ein neuer Header, ein neuer Name, große Bilder, weniger Text, Verlinkungen zum Hauptartikel und das erste Mal die Chance, zu messen wie häufig unsere Newsletter geöffnet werden. Ich war selbst überrascht, dass der Einsatz dieses Tools noch unbekannt war als ich meine Aufgabe antrat. Der Newsletter wurde schlicht als einfache Mail verschickt. Es war also ein Kommunikations-Sample für beide Seiten:  Zielgruppe und Kommunikator*innen.

„Das machen wir jetzt einfach mal so“

Statt viel fragen, einfach mal machen – auch das kann eine Strategie sein. Dafür eignen sich vor allem Themen, die nicht zu den strategischen Grundsatzentscheidungen gehören. Sogenannte Testballons lohnen sich für viele Themen, weil man dadurch wichtige Erfahrungen sammelt, die in die spätere Ausrichtung der Kommunikationslandschaft mit einfließen und das Endprodukt besser machen. Dieses iterative Vorgehen ist auch für die Psyche gut. Denn man kann sich selbst immer sagen: Es ist keine Entscheidung für die Ewigkeit. Wenn es nicht ankommt, machen wir es halt wieder anders. Hauptsache Bewegung.  

Keine Angst vor blauen Flecken und blutigen Nasen – das gehört dazu, genauso wie ein langer Atem

Wer verändert, wird auf Widerstände stoßen. Wenn Personen künftig nach links statt rechts drehen sollen, müssen sie erstmal verstehen, akzeptieren und lernen. Dazu kommt: Etwas Neues zu starten, ist für viele anstrengend. Andere sträuben sich, weil sie dafür Liebgewonnenes loslassen müssen. Und wieder andere tun sich schwer, weil sie ihre Komfortzone verlassen müssen und das Neue nicht so leicht von der Hand geht. Wichtig ist aus meiner Sicht, konsequent zu bleiben und das Neue immer wieder zu üben. Das kann auch bedeuten, konsequent Nein zu sagen. Beispielsweise wenn Stakeholder*innen auf frühere Dienstleistungen oder Produkte zugreifen wollen, die es nach einem neuen Selbstverständnis nicht mehr gibt. Aus meiner Sicht ist gerade dann eine klare Positionierung und Haltung notwendig – auch wenn es erstmal für blaue Flecken sorgt. Natürlich kostet das viel Kraft und es gibt Zeiten des Zweifelns. Es tut gut, sich häufiger daran zu erinnern, dass Veränderungen ohne Widerstand nicht möglich sind. Die blauen Flecken auf dem Weg zum Ziel sind nur kleine Etappensiege.

Sandrina Mahlberg

Sandrina Mahlberg ist seit Anfang 2021 Leiterin Interne Kommunikation und Change Management bei DB Regio. Die frühere Journalistin und Moderatorin ist rund acht Jahre bei der DB AG in verschiedenen Positionen mit Fokus Kommunikation und Veränderungsmanagement tätig. Zuvor arbeitete Sandrina im Hörfunk, unter anderem für den WDR, die Deutsche Welle und den NRW Lokalfunk. Sie studierte in den Niederlanden und den USA und besitzt einen Master of Arts in European Studies.

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