Interne Kommunikation: Digital als Chance begreifen
Reinhard Staudacher aus der globalen internen Kommunikation des Chemiekonzerns BASF sprach mit uns über die neue Situation für die interne Kommunikation durch Covid-19 und über seine Erfahrungen mit digitalen Formaten und digitaler Führung.
Die Führungskommunikation scheint die Achillesferse der internen Kommunikation in Corona-Zeiten zu sein. Welche Tipps haben Sie für IK-Verantwortliche, um die Führungskräfte bei den neuen Herausforderungen bestmöglich zu unterstützen?
Ich sehe es nicht als Achillesferse, sondern vielmehr als eine Riesenchance. Denn in der Corona-Krise rücken die Menschen im Unternehmen zusammen, blicken auf die Führung im Unternehmen und wollen wissen: Was tun wir jetzt? Wie kommen wir durch die Krise? Wenn die interne Kommunikation diese Chance beherzt ergreift, wird sie große Aufmerksamkeit und hohe „Einschaltquoten“ erzielen.
Wir merken das bei BASF ganz deutlich. Ein Beispiel: Eine Videobotschaft unseres Vorstandsvorsitzenden auf dem Höhepunkt des Lockdowns im April erzielte immense Klickraten. Von unseren weltweit rund 117.000 Mitarbeiter*innen hat beinahe jede*r Zweite dieses Video angesehen.
Diese Beobachtung gilt übrigens für unsere interne Kommunikation insgesamt: All unsere digitalen Kanäle erfahren gerade einen enormen Rückenwind. Die Klickraten unseres elektronischen Newsletters sind im ersten Quartal 2020 um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, die Zahl der Nutzer*innen unserer Mitarbeiter-App hat im selben Zeitraum um mehr als ein Drittel zugelegt.
Ich deute das so: Gerade in Krisenzeiten suchen die Menschen nach Orientierung durch Institutionen, denen sie vertrauen. Und da gehört das Unternehmen, in dem sie arbeiten eindeutig dazu.
Deshalb mein Tipp: Nutzen Sie diesen Rückenwind, um Ihre digitalen Tools und Formate weiter auszubauen, zu verbreiten und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen!
Führungskommunikation lebt ganz besonders vom persönlichen Austausch. Haben Sie Anregungen für konkrete Formate parat, die helfen können?
Sehr gute Erfahrungen haben wir mit virtuellen Town-Hall-Meetings gemacht. Schon vor der Corona-Krise gab es bei uns einmal im Quartal eine solche Mitarbeiterveranstaltung, bei dem der Vorstandsvorsitzende den Kolleg*innen zu aktuellen Themen Rede und Antwort steht. Diese Veranstaltung wird live per Webcast in die ganze BASF-Welt und in jedes Homeoffice übertragen und die Leute können per Chat-Funktion Fragen stellen. In der Krise haben wir den Webcast fortgeführt und das Publikum im Saal wegen der Corona-Verhaltensregeln einfach weggelassen. Das funktioniert hervorragend. Pro Veranstaltung hatten wir dieses Jahr bis zu rund 20.000 Kolleg*innen, die sich das Ganze live oder als Aufzeichnung angesehen haben.Eine andere Möglichkeit zum virtuellen, aber doch persönlichen Austausch bietet das Social Intranet. Wir haben festgestellt, dass es gar nicht sehr viel Ermutigung bedurfte, dass die Führungskräfte in der Krise diese Tools nutzten – noch nicht optimal, aber deutlich mehr, als vor der Krise. Es wurde munter kommentiert, gepostet und Fragen beantwortet – etwa zu Artikeln in unserem elektronischen Newsletter, die alle kommentierbar sind. So können oftmals wichtige Fragen aus dem Unternehmen schnell und unbürokratisch über Hierarchiegrenzen hinweg geklärt werden.
Wie finden Organisationen und ihre interne Kommunikation in der gegenwärtigen Situation die richtige Balance zwischen Offenheit, Transparenz und Schnelligkeit auf der einen Seite und besonnener, überlegter Kommunikation auf der anderen Seite?
Ich denke, erstens: Wie in jeder Krise ist es wichtig, dass die Kommunikation den direkten Draht zum Krisenmanagement-Team hat, mit eingebunden ist und Informationen zu allen Maßnahmen aus erster Hand erhält.
Zweitens haben wir sehr schnell gelernt: In einer globalen Pandemie, die in Wellen die Welt heimsucht, ergibt es keinen Sinn, eine weltweit einheitliche Kommunikation im Sinne einer „One Voice“ sicherstellen zu wollen. Dafür sind die lokalen Auswirkungen und Umstände einfach zu unterschiedlich. Als die Pandemie zum Beispiel im Ende Februar Europa erreichte, arbeiteten unsere Kolleg*innen in China großenteils bereits seit Wochen im Home Office, während in Nord- und Südamerika an einen Lockdown noch nicht zu denken war.
Was sind die konkreten Auswirkungen, Maßnahmen und Verhaltensregeln bei uns vor Ort im Land oder am Standort? Das muss dezentral vor Ort kommuniziert werden – so gewinnen wir auch die nötige Flexibilität und Schnelligkeit in dieser Krise, auch als weltweites Unternehmen wie BASF mit rund 117.000 Mitarbeiter*innen und 360 Standorten in 90 Ländern.
Darüber hinaus muss es – trotz aller unterschiedlicher Betroffenheit – aber auch verbindende Botschaften geben: Die reichen von „Wie betrifft uns die Krise eigentlich als Unternehmen insgesamt – und wie kommen wir da durch?“ bis zu konkreten Tipps für den Arbeitsalltag, zum Beispiel „Wie arbeite ich am besten in Home Office? Welche digitalen Werkzeuge helfen mir dabei?“ und so weiter.
Und last but not least finde ich es wichtig, den Mitarbeiter*innen auch Lichtblicke und Positives aufzuzeigen, etwa: Wie engagiert sich unser Unternehmen in der Corona-Bekämpfung, etwa mit Produkten oder Spenden? Welche erfolgreichen Geschichten gibt es, etwa in der Zusammenarbeit mit Kund*innen? Wir haben unter dem Hashtag #GemeinsamSchaffenWirDas in unserem Social Intranet ein Forum nur für gute Nachrichten in der Corona-Krise eingerichtet. Dort können alle posten, was sie in dem Zusammenhang bewegt. Was dankbar angenommen wurde: Es gibt dort hunderte Posts mit kleinen und großen guten Nachrichten von Kolleg*innen aus allen Teilen der Welt, die insgesamt mehr als 115.000 mal gelesen wurden.
Reinhard Staudacher ist seit 1994 in der Unternehmenskommunikation von BASF tätig. Für den Chemiekonzern arbeitete er als Kommunikateur in Ludwigshafen, Hongkong, Seoul und Tokyo. Staudacher ist gelernter Journalist und hat außerdem Verwaltungswissenschaft studiert.