Kommunikation zwischen Polykrisen, Overflow und Transformation

ein explodierendes Gehirn vor grauem Hintergrund
Bild: fergregory@canva

In der aktuellen Gleichzeitigkeit von Polykrisen, Informations-Overflow und einem hohen Transformationsbedarf der Unternehmen stellt sich die Frage, wie (interne) Kommunikation Stabilität zur Bewältigung der Krisen, Relevanz im Overflow und gleichermaßen erfolgreich Transformationsprozesse unterstützen kann. Eine Mammut-Aufgabe.

Interne Kommunikation in Polykrisen

Krisen, wohin man schaut. Der Umstand, dass unser Gehirn mehr Rezeptoren für Negatives als für Positives aufweist, sogenannte Negativity Bias, führt dazu, dass wir uns schneller negativen Nachrichten zuwenden als positiven. In stabiler Umgebung könnte man das mit einem Besuch in der Geisterbahn vergleichen, die man bewusst betritt, um sich zu ängstigen und zu gruseln. Allerdings ist gewiss, dass der Grusel endet, wenn man die Geisterbahn wieder verlässt. Im Kontext von Polykrisen und schlechter Stimmung sieht es anders aus.

Die soeben erschienene Studie „In ungewissen Zeiten: Zuversicht und die veränderte Rolle von Führung im Unternehmenskontext.“ des Berliner Think Tanks Next Work Innovation und Netzwert Partner hat ermittelt, dass die Krisenstimmung in den Unternehmen angekommen ist, sogar dann, wenn das Unternehmen gar nicht von einer Krise betroffen ist und dass die Krisenstimmung das Sicherheitserleben am Arbeitsplatz reduziert.

Die Unternehmens-Kommunikation ist hier gefragt, den Fokus auf Mögliches und Gelingendes auszurichten, um Stabilität zu vermitteln. Das geht über die Vermittlung klassischer Inhalte deutlich hinaus und bedarf einer taktischen Planung und kommunikativen Interventionsgestaltung. Ebenso konnte die Studie belegen, dass Zuversicht eine Art Multitalent in der Krise ist. Sie wirkt sich positiv auf Sicherheitserleben am Arbeitsplatz, Leistung und Selbstwirksamkeitserleben aus.

Die Frage, wie die interne Kommunikation Zuversicht vermitteln kann, ist eine strategische und von der CEO-Kommunikation nicht zu trennen. Zuversicht ist nicht als Hoffnungsbringer zu verstehen, sondern als eine Kombination von einem klaren Blick auf die Herausforderung und die Erarbeitung von Handlungsmöglichkeiten. Dadurch wird die Organisation resilienter und in der Folge produktiver, denn Krisenerleben defokussiert, wie aus Restrukturierungsprozessen in Unternehmen bekannt ist.

Interne Kommunikation versinkt im Overflow

Den ganzen Tag in Meetings? Arbeit wird während der Meetings mehr oder minder heimlich parallel erledigt. Die erste große Studie „Kosten von Arbeitsunterbrechungen für deutsche Unternehmen“ ermittelte in 12 Unternehmen aus 25 Branchen per digitaler Tagebuch-App, dass Unternehmen drei Tage pro Monat pro Beschäftigten nur durch Arbeitsunterbrechungen verlieren. Unser Gehirn benötigt eine Re-Fokussierungszeit von mindestens 15 % bei einfachen Aufgaben, um sich nach einer Unterbrechung wieder konzentrieren zu können. Bei komplexen Aufgaben erhöht sich der Mehraufwand auf bis zu 28 %. Alle vier Minuten werden wir unterbrochen in unserer Arbeit. Zusätzlich erleben wir einen Boom der Online-Meetings: 153 % mehr Video-Calls und 62 % davon ungeplant. Die Studienteilnehmer*innen gaben an, dass mindestens 35 % der Meetings irrelevant für sie seien. So verlieren wir zwei weitere Tage pro Monat pro Mitarbeitenden.

Gleichzeitig steigt die Arbeitsintensität. Um die Informationsdichte und Anforderungen zu bewältigen, schalten die meisten Mitarbeitenden und Führungskräfte in den Multitasking-Modus. Die Studienteilnehmer*innen gaben ebenso an, dass sie schnell zwischen den Aufgaben wechseln, um (vermeintlich) möglichst viel erledigt zu bekommen.

Allerdings ist das menschliche Gehirn nicht in der Lage, zwei oder mehr konzentrationsbedürftige Inhalte parallel zu bearbeiten, da es nur einen Arbeitsspeicher hat. Die Folge: mehr Stress, mehr Fehler und im Ergebnis auch sinkende Innovations- und Lösungskraft! Das wiederum führt zu „mehr Desselben“ und nicht zu neuen Wegen, um Krisen zu meistern.

Die interne Kommunikation, die häufig im Ad-hoc-Modus gefangen ist, hat mit dem gleichen Arbeitsalltag zu kämpfen und deutlich zu wenig Zeit zum Durchdenken und Entwickeln der Themen. Das ist aber essentiell, wenn sie eine Treiberfunktion in unternehmensstrategischen Themen in Krisenzeiten übernehmen möchte. Daher braucht es eine Lösung, wie tägliche Slots konzentrierten Arbeitens ermöglicht werden.
Unternehmen, die nach dem The Focused Company Modell arbeiten, haben eine kollektive Fokuszeit von zwei Stunden am Vormittag, damit Zeit und Raum zum Nachdenken und konzentrierten Arbeiten entsteht. Das gesamte Unternehmen inklusive Chefs und Chefinnen, arbeitet einmal am Tag höchst konzentriert, was auch messbare Auswirkungen auf Entscheidungsqualität und den Umgang mit Komplexität hat. Das wirkt sich auch abends noch positiv auf den Cortisol-Spiegel aus, weil der Tag, trotz gleicher Arbeitsmenge, deutlich stressreduzierter abläuft. Die in der Fokuszeit zu bearbeitenden Inhalte werden selbstbestimmt festgelegt, so dass automatisch das Selbstwirksamkeitserleben erhöht wird. Eine Auswirkung, die oft verloren geht, wenn Beschäftigte den Arbeitstag komplett fremdbestimmt verbringen. Für die interne Kommunikation wäre tägliche Fokuszeit gewinnbringend, damit sie ihrer strategischen Aufgabe nachkommen kann.

Interne Kommunikation in der Transformation

Die beschriebene Krisenstimmung und der durch Multitasking und Fragmentierung entstehende Stress lässt Menschen überwiegend auf Bewährtes zurückgreifen, intuitiv Erfolgsmodelle der Vergangenheit aktivieren und auf die problematischen Umstände fokussieren (Negativity Bias).
Gleichzeitig starten viele Unternehmen mehrere Veränderungsprozesse parallel – wie z. B. Leitbildprozesse, agile Führung, New Work, digitale Transformation, Werteprozesse, betriebliches Gesundheitsmanagement und aktuell vor allem wieder Restrukturierungsprozesse – und packen diese auf das bereits bestehende hohe Arbeitsvolumen oben auf. Das spaltet den Fokus und damit die Energie, zumal diese Prozesse oftmals nicht in ein Gesamtkonzept integriert werden. Ihnen fehlt der rote Faden.
Der Erfolg liegt daher in der Reduzierung und Fokussierung dieser Initiativen und deren strategischer Verknüpfung mit den laufenden Projekten, damit der not-wendige rote Faden entsteht.

Auch hier hat die interne Kommunikation eine entscheidende Rolle. Trägt sie die Story? Ist sie attraktiv (auch bei Krisenthemen)? Kann sie vermitteln, was das eine mit dem anderen zu tun hat?
Kommunikation bildet den übergreifenden roten Faden, um Overflow zu vermeiden und echtes Verstehen zu ermöglichen – insbesondere im Krisen- und Stressmodus. Denn im Stressmodus verlieren wir nicht nur Zeit, Produktivität und Kreativität. Unser Gehirn greift auch auf bewährte alte Muster zurück, um Unsicherheiten und weitere Energieverluste zu minimieren. So wird Veränderung unwahrscheinlich.

Frau mit kurzen Haaren und schwarzem Rollkragenpullover vor einer grauen Wand

Vera Starker ist Wirtschaftspsychologin, Autorin diverser Sachbücher zu Neuem Arbeiten und Change Management, SPIEGEL-Bestseller Autorin und Co-Founderin des Berliner Start ups Next Work Innovation, das zur Neuen Arbeit forscht und berät. Im Buch „Endlich wieder konzentriert arbeiten. Wertschöpfung im digitalen Zeitalter wirklich, wirklich neu denken“ beschreibt sie, wie Unternehmen systematisch konzentriertes Arbeiten und Fokussierung einführen können.

Interesse geweckt?
Vera Starker wird die Keynote bei unseren INKOMETA Days am 8. und 9. Oktober im Berliner Kosmos halten. Jetzt Ticket sichern!

Back to top