Mein Name ist Krise

Bild: boy

Das richtige Framing für interne Kommunikation in unsicheren Zeiten

Es war ein Workshop wie viele – 20 Kolleg* innen aller Hierarchiestufen sollten die Zukunftsstrategie des Unternehmens verstehen, um sie in ihre Bereiche hineinzutragen. Kurz vor Beginn platzte die Bombe: Das Unternehmen plant Entlassungen im vierstelligen Bereich. Die Verantwortlichen waren unsicher, ob der Workshop überhaupt noch Sinn machen könnte. Ein Paradebeispiel für interne Krisenkommunikation: Oft wird abgewartet, nicht Rede und Antwort gestanden – und vor allem den Mitarbeitenden keine aktive Rolle gegeben.

Hier aber nutzten wir die Kurzfristigkeit und machten den Workshop selbst zum Beispiel für gelingende Kommunikation. Wir gingen in den Dialog. Wir hatten nicht alle Informationen, aber wir konnten die Teilnehmenden einbinden. Wir beschwichtigten nicht, wir fragten nach Gefühlen, Ideen und Hinweisen. Wir beruhigten nicht, sondern aktivierten zur Mitgestaltung.

Interessanterweise fiel während des gesamten Workshops kein einziges Mal das Wort »Krise«. Stattdessen sprachen wir über Entscheidungen, Anpacken, Beiträge. Die Mitarbeitenden verließen den Raum nicht als Betroffene, sondern als Botschafter*innen. Und die Verantwortlichen gingen ermutigt und gestärkt aus der Situation.

Polykrise und Permakrise: Die neue Realität

Wir bewegen uns in einer Welt, die immer häufiger als Polykrise beschrieben wird: eine Gleichzeitigkeit und gegenseitige Verstärkung unterschiedlicher Krisen – von geopolitischen Spannungen über Energieknappheit bis zur Klimakrise. Der Begriff Permakrise – Dauerzustand der Erschütterung – wurde 2022 vom Collins Dictionary zum »Wort des Jahres« gewählt.

Was waren das noch für Zeiten, als »Krise« den Moment der Entscheidung, einen Wendepunkt bedeutete. Heute ist sie zum Dauerzustand mutiert: diffus, übermächtig, lähmend. Diese Inflationierung des Begriffs hat Folgen: Unter dem Eindruck permanenter Krisen breiten sich Erschöpfung und politische Polarisierung aus, die Veränderungsbereitschaft sinkt.

Sprache prägt Denken, Denken prägt Handeln

Man müsse der Krise den Charakter der Katastrophe nehmen, dann könne man ihr etwas Positives abgewinnen, schrieb Max Frisch. Doch leichter gesagt als getan: Wer Krise sagt, löst ein ganzes neuronales Programm aus.

Aktuelle Sprachanalysen zeigen: Katastrophenmetaphern nehmen massiv zu – von »Regulationsflut« über »Shitstorm« bis »wirtschaftliches Erdbeben«.Passive Formulierungen dominieren: »Wir werden getroffen«, »Uns ereilt die Krise«, »Wir werden überrascht«.

Sprache prägt unser Denken – und unser Denken unser Handeln. Kommunikator*innen, die Katastrophensprache wiederholen, verstärken Ohnmacht. Bewusstes aktives Framing hingegen überwindet Passivität und Opferhaltungen.

Instabile Zeiten – stabile Unternehmen: Was interne Kommunikation leisten muss

Krisensichere Unternehmen sind keine, die keine Fehler machen – sondern solche, die Erzählungen von Bewältigung, Lernen und Zusammenhalt lebendig halten. Storytelling wird zum Resilienzbooster: Geschichten über »gemeinsam gemeisterte Herausforderungen« stärken kollektive Selbstwirksamkeit.

In unserer aktuellen Interviewreihe mit ukrainischen Beratungsunternehmen, die den Krieg als Alltag erleben, zeigt sich:
• Es sind Beziehungen, die tragen.
• Es ist die Aufmerksamkeit füreinander. •
Es ist der Fokus auf den eigenen Beitrag und auf die kleinen Dinge – ein Sonnenstrahl, ein alter Witz, ein Moment gemeinsamen Lachens.

»Wir fragen heute bei jedem Meeting zuerst: Geht es euren Familien gut?« – so beschreiben ukrainische Kolleg*innen ihre Meetings heute. Neue Businessmodelle entstehen nicht nur aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, sondern aus dem Bedürfnis, Sinn und Stärke zu bewahren.

Der Arbeitsplatz als Anker – Kommunikation als Steuerungsaufgabe

In Krisenzeiten wird der Arbeitsplatz mehr als ein Ort des Broterwerbs: Er wird Ankerpunkt, Gemeinschaftsraum und Identitätsstifter.
Kommunikation hat hier die Aufgabe:
• Ohnmacht nicht zu reproduzieren, sondern Zukunft zu gestalten.
• Worte bewusst zu wählen, die aktivieren statt lähmen.
• Beziehungen als zentrale Infrastruktur für Resilienz zu verstehen.
• Die Fähigkeit Widersprüche auszuhalten zu trainieren.

Sprache ist nicht nur Spiegel. Sie ist Steuerung. Es ist Aufgabe der Führung und der internen Kommunikation, zu verhindern, dass Mitarbeitende zu Statisten in der Geschichte ihrer Organisation werden.

Drei kommunikative Schlüssel in der Polykrise

  1. Sprache als Steuerungsinstrument begreifen
    Kommunikation schafft keine Fakten, aber sie schafft Interpretationsräume. Wer aktive Formulierungen nutzt (»Wir gestalten.« statt »Wir sollten.«), öffnet mentale Räume für Handeln.
  2. Beziehungen systematisch stärken
    Gerade in Krisenzeiten ist Beziehungspflege keine Kür, sondern Überlebensstrategie. Regelmäßige Check-ins, informelle Austauschräume und persönliche Ansprachen stiften Vertrauen.
  3. Mitarbeitende zu Erzähler*innen und Beitragenden machen
    Erfolgreiche Unternehmen laden ihre Mitarbeitenden ein, die Krise nicht nur zu erleben, sondern aktiv mit zu erzählen. Beteiligungsformate wie Workshops, Storytelling-Projekte oder Zukunftsdialoge aktivieren kollektive Resilienz.

Fazit
Interne Kommunikation, die diese Elemente bewusst integriert, wird in geopolitisch geprägten Krisenzeiten nicht zur Belastung – sondern zur Quelle von Stärke. Es geht nicht darum, die Welt schönzureden. Es geht darum, sie sprechend so zu gestalten, dass Handeln wieder möglich wird.

Bärbel Boy, Strategieberaterin und Transformationsexpertin, entwickelt wirksame Kommunikation und begleitet Veränderungsprozesse.

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In unserem beyond Magazin finden Sie diesen und viele weitere Artikel zu diversen Themen der internen Krisenkommunikation.

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