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Sprache als Führungsinstrument

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Bild: Unsplash

Sprache zeichnet die Bahnen vor, in denen wir im Allgemeinen denken. Sie ist das Medium der Welterschließung, denn jedes Individuum sieht sie so, wie sie ihm seine Sprache zugänglich macht. Jeder erkennt zunächst einmal das, was ihm sprachlich bedingt bewusst wird. Will man Menschen verstehen und sie in das eigene Lebenskonzept bzw. Organisationskonzept einbinden, muss man ihre Sprache verstehen. Wenn man ihre Sprache versteht, erfasst man ihre Welt leichter, als wenn man nur ihre Handlungen aus dem eigenen Blickwinkel zu interpretieren versucht. Sprachen sind Ansichten auf die Welt – und die Analyse und Ausleuchtung dieser Ansichten ist Aufgabe des Kommunikationsmanagements. Schon immer. Aber wo durch VUCA ausgelöste Unsicherheit und Widersprüchlichkeit an der Tagesordnung sind, muss das Verstehen, die Verständigung auf Bedeutung noch einmal mehr gezielt adressiert werden. Denn es kann ja immer auch alles anders sein (Kontingenz).

Viele Unternehmen stehen vor großen strukturellen Veränderungen bis hin zu kompletten Transformationen. Es ändern sich Kundenerwartungen und Wettbewerbskonstellationen und in der Folge Produkte, Organisationsstrukturen, die Prozessgestaltung und -führung bis hin zur Anpassung ganzer Geschäftsmodelle. Häufig ist damit eine neue Unternehmensidentität verbunden, die ganz neue Perspektiven auf die Unternehmensumwelten wirft. Dazu gehört ein wirkungsvoller Umgang mit Komplexität und hierbei vor allem der Umgang mit Mehrdeutigkeit, die eine Offenheit für alle denkbaren Interpretationen in Bezug auf die Unternehmensumwelt erfordert. Bisherige Erfahrungen, Glaubenssätze und Paradigmen müssen überprüft und womöglich revidiert werden, da es nicht mehr den einen Weg oder das eine Führungsinstrument gibt. In einem Umfeld, in dem Informationen keine Vorhersagen mehr zulassen und Rahmenbedingungen sich schnell ändern, funktionieren auch bewährte Denk- und Handlungslogiken für zu treffende Entscheidungen oft nicht mehr. Es geht dabei um die Art und Weise, Realität zu betrachten und zu bewerten, um die Annahmen, mit denen Lösungen im Alltag angegangen werden.

In Zeiten disruptiver Veränderungen stehen die Perspektiven auf die Welt, steht die Grundlage für Interpretationen von Sachverhalten ganz besonders im Fokus der Unternehmensführung. Es wird deutlich, dass bisherige Begriffsordnungen, die Grundlage für Entscheidungs- und Verhaltenslogiken sind, nicht mehr mit Gewissheit gelten. Typischerweise muss ein Unternehmen im Kontext einer Transformation einen Großteil seiner Beziehungen zur Umwelt neu definieren. Veränderung, Transformation benötigt ein neues Führungsbewusstsein, welches sich aber nicht entwickeln kann, wenn die prägenden Begriffe, wenn die Sprache, mit der Beziehungen zur Umwelt gestaltet werden, veraltet ist.

Um mit kontinuierlichem Wandel umgehen zu können, ist die Fähigkeit des Perspektivenwechsels gefragt, der bewusst gelenkte Blick auf andere Sichtweisen als die eigene, was das Erkennen von Zusammenhängen fördert und Ideen entwickeln hilft. Aber wie bereits erläutert, unterscheiden sich das Denken und die Annahmen der anderen im Hinblick auf erlebte oder vermutete Gegebenheiten von der eigenen insbesondere aufgrund sprachlicher Verknüpfungen. Damit ist auch die Einschätzung von unternehmerischen Entwicklungsoptionen abhängig von der jeweiligen sprachlich gebundenen Sicht auf die Welt.

Was ist konkret zu tun? Die Interne Kommunikation sollte diese Zusammenhänge immer wieder bei den Mitarbeitenden bewusst machen und vor allem ihre eigenen Instrumente auf Sprachsensibilität hin konfigurieren.

  • DIALOG: Eine auf Dialog ausgerichtete Kommunikation hat Vorteile für den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit im Unternehmen. Aber wie „echt“ ist dieser Dialog denn tatsächlich? Meist wird er so gestaltet, dass es einen Austausch von Informationen und Meinungen gibt. Aber wird dabei wirklich zugehört und reflektiert? Echte Dialoge sind so gestaltet, dass sie nicht nur zum Verstehen anderer Perspektiven führen, sondern auch dabei helfen, den eigenen Standpunkt besser zu verstehen, ihn besser in einen Kontext einordnen zu können. Veränderung in Unternehmen bedeutet nämlich auch, sich gegebenenfalls selbst zu ändern. Ganz nebenbei verändert diese Art des Dialogs das oft noch vorhandene Silodenken von Abteilungen. Ebenso können Teams trotz differierender Interessen besser zusammenwachsen oder ihre Gemeinschaft festigen. Und auch unternehmensweit können sich Communities wie etwa die Führungskräfte durch einen echten Dialog besser gemeinsam ausrichten und verständigen.
  • DISKURSE: In diesem Zusammenhang sollte die Interne Kommunikation insbesondere Diskurse, die sie zu bestimmten Themen anstößt oder die sich im Unternehmen entwickeln (im Übrigen auch mit externer Beteiligung), sprachsensibel gestalten und im Verlauf die Entwicklung im Blick behalten. Diskurse laufen über eine bestimmte Zeit und transportieren dabei eine Gesamtheit von Äußerungen zu einem bestimmten Thema. Im Laufe dieser Zeit können sich Begriffe verselbständigen und die (so vielleicht nicht gewünschte) Argumentationslinie des Diskurses bestimmen. Nun ist es Sinn eines Diskurses, Meinungen zu entwickeln. Aber mit Blick auf die wirklichkeitskonstitutive Kraft der Sprache könnte sich ein (im Sinne des Unternehmens) problematisches Meinungsbild durchsetzen. Der Sprachgebrauch erlaubt Rückschlüsse auf Denk- und Handlungsmuster. Hier geht es um Geltungsansprüche auf Wahrheit.
  • WORTGEBRAUCH: Ein Dialog oder ein Diskurs soll dazu führen, die besten Argumente zu finden, um zu einer neuen Einsicht gegenüber einem Sachverhalt gelangen zu können, sich also gegenseitig zu verständigen. Dabei wirkt der Wortgebrauch als Filter, der je nach sprachlich gebundenem Blick auf die Welt anders wahrgenommen wird. Das heißt, obwohl man glaubt, verstanden zu haben, ist es oft nicht so. Das gelingt besser, wenn man seine eigene Position verlässt und den Blick „des/der Anderen“ versucht einzunehmen.

Dabei hilft ein bewusster Umgang mit z.B. Metaphern, mit typischen Redewendungen. Ein Beispiel dafür ist das bekannte Muster, Argumentation als Krieg zu konzeptualisieren: Wir verteidigen Thesen, Standpunkte werden angegriffen, Positionen sind nicht mehr zu halten. Hier wird das eine Konzept (Argumentation) metaphorisch durch Begriffe eines anderen Konzepts (Krieg) strukturiert. Diese grundsätzliche Vorgehensweise, geschriebene oder gesprochene Texte mit metaphorischen Konzepten zu gestalten, ist fest im Alltagsgebrauch verankert und wird dabei kaum bewusst angewandt. Aber es sollte deutlich geworden sein, dass die verwendete Sprache die Sicht auf die Welt prägt und entsprechende Handlungen auslöst. Die Interne Kommunikation sollte ihre Kommunikationstexte deshalb stets darauf prüfen, ob die sprachlichen Mittel wirklich geeignet sind, z.B. das Selbstverständnis des Unternehmens auszudrücken oder ein Veränderungsvorhaben anzustoßen. Bei der konkreten Formulierung von Leitbildern, einem Purpose, einer Vision oder von Texten in der Mitarbeiterzeitschrift sollten die Redakteurinnen und Redakteure ihre eigene Gewohnheitssprache gut reflektieren. Denn eine unreflektierte Sprachverwendung transportiert immer die alten Denkmuster und die alten blinden Flecken bei der Sicht auf die Welt.

Sprache als Führungsinstrument zu begreifen, ist ein Gebot der Zeit, in der nichts mehr sicher, nichts mehr einfach „wahr“ ist. Unternehmen müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit bei disruptiven Veränderungen und Transformationsanforderungen erhalten und ausbauen können. Dabei ist eine Vielfalt an Perspektiven auf und Interpretationen von Fallkonstellationen und Sachverhalten entscheidend. Hier ist die Interne Kommunikation aufgefordert, linguistische Fähigkeiten anzuwenden, um ihre Zielgruppen gut zu integrieren und sie mit der Unternehmensumwelt zielbringend zu verknüpfen.

Ulrike Buchholz

Prof. Dr. Ulrike Buchholz lehrt das Fach Unternehmenskommunikation mit dem Schwerpunkt interne Kommunikation an der Hochschule Hannover. Bis zur Berufung im Jahr 2001 leitete sie die weltweite Interne Kommunikation der Infineon Technologies AG, München. Davor war sie in der Unternehmenskommunikation der Siemens AG verantwortlich für Projekte vor allem im Bereich der Führungskräftekommunikation und des Change Managements.

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