Von rosa Elefanten und harten Nüsse in der internen Kommunikation
Von Verena Wölkhammer, Kommunikationsberaterin, Business Coach und Professorin für Kommunikation und Führung.
Kontinuierlicher Wandel ist für viele Organisationen das New Normal. Dabei geht es auch um eine fundamentale Neuausrichtung von Arbeitswelt und Unternehmen. Bei Mitarbeitenden führt das zu Fragen, Ängsten und unsicheren Erwartungshaltungen, die manchmal offensichtlich, manchmal verdeckt bestehen – und zumeist eine komplexe inhaltliche Auseinandersetzung fordern. Hier gilt es, für die interne Kommunikation Mittel und Wege bereitzustellen, um mit einem kontinuierlichen Kommunikationsprozess Besprechbarkeit herzustellen.
Strukturelle Neuerungen, Digitalisierung & Co.
Wer kennt sie nicht: die Themen, die wie rosa Elefanten im Raum der Organisation stehen und inhaltlich besonders harte Nüsse darstellen. Seien es strukturelle Neuerungen im Unternehmen, die angekündigt werden und von da an im Kopf oder auch in Gesprächen der Mitarbeitenden ein Eigenleben führen oder globale Ereignisse wie Corona und die aktuelle Energiekrise. Auch laufende Veränderungen, die mit personellen Entwicklungen einhergehen, die jede*r sieht und keiner genau versteht sowie fundamentale Erneuerungs- und Digitalisierungsschritte, die nur wenige genau erklären können – Beispiele gibt es viele. Und immer fragen sich Mitarbeitende, was das nun für sie, ihren Bereich und das Unternehmen bedeutet.
Wenn hier nicht Besprechbarkeit hergestellt wird, verschenken Unternehmen die Chance, unterschiedliche Perspektiven zu Themen anzuhören und einzusammeln. Bestehende neuralgische Punkte zum Thema bleiben unerkannt, blinde Flecken mehren sich. Zu schnell wird in strategischen Prozessen aus einem „ich weiß“ ein „jede*r weiß doch“. Dem wirkt konsequente Besprechbarkeit entgegen. Zudem lassen sich Frustrationen und Ängste nur im Dialog erschließen und konstruktive Handlungsfelder ableiten.
Darüber hinaus verpassen Organisationen auch die Notwendigkeit, Kulturentwicklung aktiv zu gehen. Denn wenn ein Unternehmen aus dem Prozess des aktuellen Wandels zukunftsfähig hervorgehen will, dann bedeutet es auch, eine wendige Lernkultur zu entwickeln. Und dies korreliert mit Vertrauen, Dialogfähigkeit, Transparenz und einer konstruktiven Feedback-Kultur.
Kurzum: Besprechbarkeit sollte keine Kür sein, sondern vielmehr erfolgskritische Pflicht.
Was in der Kommunikation schief geht
Gut gemeint und weniger gut umgesetzt ist in flankierenden Kommunikationsprozessen nicht selten der Fall. So wird bspw. ein Thema mit Pauken und Trompeten angekündigt und im Verlauf nicht weiter fortgeführt. Oder aber es wird ein statischer Informationsraum eröffnet, der mit wenig resonanzfähigen Informationen bestückt wird. Andernfalls wird vielversprechend eine dialogorientierte Community eröffnet, die aber von Führungskräften doch mehr als Verkündungsinstrument genutzt wird. Problematisch erweist sich auch, wenn die Personen, die überwiegend die Kommunikation vorantreiben nicht jene sind, von denen es Mitarbeitende im Kontext des Themas eigentlich hören wollen. Zumeist entscheidet bei herausfordernden Themen eben doch die direkte Einordnung des Themas durch die eigene Führungskraft – Stichwort: Führungskräftekommunikation und die Befähigung Vorgesetzter, Themen zu kommunizieren.
Besprechbarkeit herstellen
Informationsweitergabe und ein transparenter Umgang mit Sachverhalten sind wichtige Aspekte – quasi der Tanzboden der Besprechbarkeit. Aber bei der Aufbereitung von Informationen braucht es eine systematische Herangehensweise und die Kompetenz der zielgruppenspezifischen Kommunikation. Transparenz bedeutet nicht, dass mit Strategiepapieren eins zu eins in die Kommunikation gegangen wird. Aufgabe ist es, Anschlussfähigkeit bei den Adressaten sicherzustellen und Themen auf jene Flughöhe zu bringen, auf der sie mit den entsprechenden Zielgruppen fruchtbar erörtert werden können.
Bei der Art und den Wegen mit Informationen zu arbeiten, ist es im nächsten Schritt entscheidend, einen professionellen und kontinuierlichen Prozess zu führen. Es geht darum, welche Formate zum Einsatz kommen, bei welchen (temporär) verantwortlichen Kommunikator*innen die Voraussetzung für die Aufgabe geschafft werden muss und wie informativ bzw. dialogisch es zu welchem Zeitpunkt im laufenden Prozess zugeht.
Wenn Kommunikation als entscheidender Faktor und Ressource laufend mitgedacht werden will, sind folgende Ansatzpunkte erfolgversprechend:
Weniger Sendemodus, mehr Zuhörmodus: Um sich auf den Weg zu einer angemessenen Informationsaufbereitung zu machen, ist es wichtig die Menschen zu verstehen. Im Hier und Jetzt gut zuhören und Probleme, Frustration und Widerstände begreifen, lenkt die Themenaufbereitung auf die wesentlichen Punkte. Meist kommen die strategischen Durchdenker*innen und Entwickler*innen von aktuellen Themen aus ihrer „Bubble“ und übersehen dabei die vorherrschenden Druckpunkte. Zeit für vertrauensvolle Einzelgespräche jenseits der eigenen Blase sind hilfreich. Oder aber, je nach Reifegrad des Themas kann es sinnvoll sein, über eine Community zum ersten Themenaustausch einzuladen. Wichtig ist hierbei die klare Beschreibung, der Rahmen der Community. Um was geht es, um was geht es nicht. Dann gilt es, Dialog anzuregen und als Führungskraft Impulse zu setzen und dann zuzuhören.
Erwartungshaltungen: Zum Einstieg in die Kommunikation rund um bestehende Themen kann ein Blick auf die Erwartungshaltungen jener Personenkreise, die mit dem Thema betraut und bereits vertraut sind, hilfreich sein. Wenn bspw. agile Projektmethoden eingeführt werden, kann die freie Frage „Was erwarte ich davon?“ anhand einer Erwartungsmatrix beantwortet werden. So werden im Kreise derer, die für ein Thema verantwortlich zeichnen, die Erwartungen nochmals konkret und frei besprochen. Dies ist eine gute Grundlage, um mit klaren Kernaussagen in die weitere Kommunikation einzusteigen und sich vom reinen Strategiepapier zu lösen. Eine sprechbare und weitestgehend natürliche Sprache zu entwickeln ist wesentlich. Zudem ist es entscheidend, ein Thema so einzuführen, dass es zu einem Dialog führt, der nächste Schritte hervorbringt. Wird bspw. eine neue agile Projekt- und Prozessmethode eingeführt, so geht es nicht um eine grundlegende Methodendiskussion, sondern um konkrete nächste Schritte mit dem Tool.
Um eine unternehmensweite Besprechbarkeit herzustellen, braucht es den kritischen Blick darauf, wer die kommunikativen Hauptakteure sein sollen. Wer verantwortet welche Kommunikationsrollen? Auch wenn wir über ein Social Intranet multiplizieren – wer spricht im Post? Gibt es eine extra Seite und wer ist dort der Absender? Und wenn Personenkreise die kommunikative Verantwortung übernehmen, so sollten es jene tun, von denen Mitarbeitende es hören wollen. Dazu gehören immer die Führungskräfte, die es gilt sprachfähig zu machen und in die kommunikative Verantwortung zu holen. Dies ist ein aktiver Prozess und kein Selbstläufer. Zumeist sind es die CEOs, die das perfekt aufbereitete Material bekommen und das Middle Management muss sich allein durch die komplexen Themen bewegen. Zudem ist es hilfreich, die Meinungsträger jenseits hierarchischer Rollen zu identifizieren und auf freiwilliger Basis einzubinden. Und grds. gilt: Wer eine Kommunikationsrolle übernimmt, braucht Befähigung. Das ist Aufgabe von IK, HR und Organisationsentwicklung – und ist prozessförderlicher als selbst in eine kontinuierliche Kommunikationsrolle zu gehen.
Formate der Kommunikation lassen sich sehr klar hinsichtlich ihres Kommunikationsziels und des beabsichtigten Outcomes differenzieren. Und doch erlebe ich immer wieder eine relativ uniforme Art der Formatnutzung. An erster Stelle muss die Frage stehen, was der Prozess an dieser Stelle braucht. Und wenn es eine dialogfähige One-to-One-Kommunikation ist, dann ist es möglich, diese mit einem entsprechend entwickelten Workshop-Format mit mehreren hundert Menschen in ein paar Wochen umzusetzen. Die Kommunikationsziele und -bedarfe gilt es, sehr punktgenau zu erschließen und dann über einen Kommunikationsplan sauber zu orchestrieren – und vor dem Hintergrund der Kommunikationsziele die Wirkungsmessung fest einzubeziehen.
Und last but not least – der kontinuierliche Wandel geht mit vielen Fragestellungen einher und ist für alle Beteiligte ein Lernprozess, der auch auf persönlichen Mindset-Faktoren basiert. In Themen-Coachings (bspw. mit Führungskräften) wird der Fokus auf bestimmte Explorationsfelder gerichtet. Daraus entstehen eine persönliche Haltung zum Thema, natürliche Sprachfähigkeit und Ideen für die stärkste Form von Kommunikation: Rollenvorbild sein. Der Themencoach kann auch Fragen seitens der Führungskraft mit anderen Personen besprechen und so einen Meinungsquerschnitt als Feedback anbieten. Neben individueller Reflexion bietet eine systematische Besprechbarkeit zu Themen auch immer wieder den Blick in die Verfasstheit einer Organisation. Kommunikator*innen sollten in ihren Formaten immer wieder angeregt werden, bewusst zu beobachten. Beispielsweise auf das Engagement der Mitarbeitenden zu achten, die Bereitschaft sich in die Themen hineinzudenken, einschätzen sowie Aspekte von Führungsstil und Kommunikationskultur zu erkennen.
Dass Kommunikation ein wesentlicher Schlüssel im kontinuierlichen Wandel ist, das ist mittlerweile allgemein anerkannt. Dass kommunikative Befähigung konsequent und budgetär mitgedacht wird, fällt vielerorts noch schwer. Das hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass an die interne Kommunikation in Zeiten von New Work eine erweiterte Rolle und damit auch ein neues Kompetenz-Set herangetragen wird.
Es geht um eine kontinuierliche Arbeit am System, die ganz im Sinne einer lernenden Organisation geführt wird. Und dabei ist ein breites Kommunikationsrepertoire sehr wesentlich. Wenn die Lösung in komplexen Situationen, in denen rosa Elefanten und harte Nüsse uns herausfordern, von Perspektivvielfalt abhängt, dann muss die interne Kommunikation im Schulterschluss mit HR und Organisationsentwicklung den Dialog ermöglichen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Prof. Dr. Verena Wölkhammer begleitet seit über 20 Jahren als Beraterin namhafte Kunden unterschiedlicher Branchen und Organisationen (Mittelständler, Konzerne und Startups) in der internen Kommunikation. Ihre Schwerpunkte sind die Entwicklung von Dimensionen der Führung, Zusammenarbeit, Kultur sowie die kontinuierliche Begleitung von Transformation und organisationalem Wandel. Als zertifizierter Business Coach begleitet sie Verantwortungs- und Leistungsträger*innen in Veränderungsprozessen und bei herausfordernden Zielsetzungen. An der Hochschule Fresenius hat sie eine Professur für Kommunikation und Führung inne.