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„Das Thema Customer Centricity zieht sich wie ein roter Faden durch mein ganzes Leben“

Frau steht vor einer Wand
Bild: Tina Demitriades

Katharina Wolff, Gründerin des Wirtschaftsmagazins STRIVE, spricht mit uns über Leadership-Skills, New-Work-Modelle, die Frauenquote und Fuckups

Laut einer Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung schaffen es nur 4,8 % der weiblichen Führungskräfte auf den Posten der CEO. Ihr habt das Programm „Becoming CEO“ mit dem Diplom „CEO of the future“ gestartet. Wie ist die Resonanz?
Die Resonanz ist sehr gut, was mich freut. Das bedeutet, dass wir es geschafft haben, den USP gut zu vermitteln, denn es gibt unzählige Leadership-Programme und Führungsworkshops. Unser USP ist zum einen, von Leuten zu lernen, die selbst Teil der Wirtschaft waren. Also, die das, was sie beibringen, selbst einmal operativ gemacht haben.
Das andere ist, dass zum Führen mehr als Softskills gehören. Es geht nicht nur darum, dass ich mir darüber Gedanken mache, wie führe ich mich selbst und mein Team, sondern dass ich eben auch auf einer breiteren Ebene Verhandlungsgeschick beweisen muss.
Die Teilnehmenden kommen von Unternehmen wie Beiersdorf, Airbus oder sind aus der Beratung. Eine, die dabei war und schon CEO ist, sagte ´Wie cool, ich habe ehrlicherweise Führen bisher immer autodidaktisch gelernt, ihr seid jetzt mein MBA-Ersatz.`

Was muss eine zukünftige CEO mitbringen, um teilzunehmen und am Markt bestehen zu können?
Es gibt sehr viele unterschiedliche Arten, wie du kommunizieren musst. Es ist was anderes, ob du mit dem Chef, der Chefin oder mit einer Mitarbeiterin sprichst, alles soll immer auf Augenhöhe sein und trotzdem sind es unterschiedliche Formen der Kommunikation.
Wichtig ist auch die Kommunikation nach außen, Themen wie Personal Brand, Public Affairs und wie manage ich meine Finanzen. Außerdem geht es ums Verhandeln und Strategie. Wie entwickle ich z. B. eine eigene Strategie für meinen Bereich, die sich gleichzeitig auch an der Strategie des Gesamtunternehmens orientiert. Wenn du dich in Richtung CEO entwickeln willst, musst du beweisen, dass du immer das große Ganze mitdenken kannst.

Die Coachingangebote wachsen rasant. Laut einer Umfrage von euch haben 30% aus eurer Community bereits eine*n Mentor*in. Brauchen Frauen heutzutage Mentor*innen, um erfolgreich zu sein?
Es gibt nicht die eine Formel für alle. Für die einen ist ein*e Mentor*in total wichtig, für die anderen nicht. Mit meiner ersten Chefin aus der Personalberatung bin ich bis heute befreundet. Sie war damals eine Mentorin, über die ich mich aber irgendwann hinaus entwickelt habe. Deswegen glaube ich, dass es eher wichtig ist, Fürsprecher*innen und Supporter zu haben. Ich glaube mittlerweile eher an ein Netzwerk aus diversen Menschen, die man zu unterschiedlichen Cases ansprechen kann.

Du hast zweifach gegründet, davor warst du angestellt. Was war der Auslöser für dich, zu gründen?
Ich war in meinem Leben nur sechs Wochen angestellt. Der Satz „das haben wir schon immer so gemacht, das machen wir auch weiter so“ war der Auslöser für mich, zu kündigen und selbst zu gründen. Anschließend habe ich mit 26 Jahren eine Personalberatung gegründet.

Wie führst du dein Unternehmen, eher top-down oder gibt es gleichwertige Teams?
Komplett top-down geht heutzutage nicht mehr. Gegen starre Modelle verwehre ich mich. Denn es sind meistens Modelle, die nicht für alle passen. Ich bin auch zutiefst gegen eine 4-Tage-Woche für alle. Ich bin gegen alles, was auf alle übergestülpt wird, ich setze mich für eine Flexibilisierung der Arbeit ein. Viele schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und sagen, du musst als Arbeitgeberin auch „Work from anywhere“ anbieten. Wir sind aber das wirtschaftliche Schlusslicht von Europa und diskutieren darüber, wie wir es schaffen, weniger zu arbeiten. Das wird nicht funktionieren in Deutschland und wer das nicht verstanden hat, hat mit Sicherheit noch nie Verantwortung in einer Firma übernommen oder ein Unternehmen geleitet!
Was aber nicht mehr geht, ist, dass es weitergeht wie bisher – daher bin ich ein totaler Fan von Weiterentwicklungen. Ich glaube aber auch, dass zum Beispiel Einsteiger*innen am Anfang erstmal in einer 5-Tage-Woche arbeiten sollten, weil es genügend Menschen wie Mütter, Väter, Pflegende gibt, die darauf angewiesen sind teilzeit zu arbeiten. Für die möchte ich es auch möglich machen, dafür habe ich Verständnis. Wir sind 16 Mitarbeitende in meiner Firma; natürlich ein ganz anderes Führen als bei 300 Leuten. Viele halten mich für eine Microcontrollerin – wer das denkt, hat weder mich verstanden noch das Thema Skalierung. Ich hasse es! Wer skalieren will, kann nicht dauerhaft im Detail steuern. Wer aber eine kleine Firma skalieren möchte, wird ohne Microcontrolling auch nicht auskommen.

Wie gehst du z. B. mit dem Thema Homeoffice um, wenn du New-Work-Modelle nicht etablieren willst. Verträge brauchen einheitliche Regeln.
Es ist ja nicht so, dass ich mich gegen New Work verwehre. Nur gegen Modelle, die allen übergestülpt werden. Unsere Home-Office-Regelung steht nicht im Vertrag, basiert auf einer gemeinsamen Vertrauensbasis. Montags bis mittwochs heißt es bei uns Arbeit im Office, Donnerstag ist ein Springertag, je nachdem ob etwas Wichtiges anliegt, für das wir zusammen sitzen sollten oder nicht. Freitags heißt es, „mach, was du willst, aber mach es nur nicht zu meinem Problem.“

Ich bin frustriert von Menschen, die nur auf Selbstoptimierung gucken, die Freitag früh nach Mallorca fliegen wollen, und dann aufgrund von Flugverspätung Meetings verpassen. Jeder Mensch, jedoch, der Ownership zeigt und in die Eigenverantwortung geht, hat bei mir alle Freiheiten dieser Welt. Ich glaube zutiefst an Individualisierung und Flexibilisierung. Ich glaube auch, die Politik sollte an der Stelle nicht eingreifen, da die Lebenrealität der Wirtschaft ja ein unbeschriebenes Blatt für die meisten Politiker*innen ist. Die Politik sollte also nicht vorgeben, ob eine 40-Stunden-Woche abgeschafft oder eine Home-Office-Pflicht eingeführt werden sollte.

Frau steht mit Magazin vorm Fenster
Bild: privat

Du hast über STRIVE formuliert: „Es wird Zeit, dass das Manager Magazin eine feminine Alternative bekommt.“ Warum hast du 2021 ein Printmagazin entwickelt, wenn es heißt „Print ist tot“?
Vor fünf Jahren hätte ich auch noch gesagt, „Print ist tot“, aber das stimmt nicht. Es gibt zwei Dinge, die gegen „online only“ sprechen. Das Erste: die Werbebudgets. Es gibt einen Digitaltopf und einen Printtopf. Der Digitaltopf ist größer, aber von diesem Digitaltopf gehen 70% zu Google und Facebook. Das heißt, du musst anders starten, denn am Anfang kann man sich nicht direkt über ein B2C-Modell, ein Subscription-Modell, finanzieren – nicht mal Amazon oder Facebook starteten mit direkt 5000 Abonnent*innen. Die Abonnent*innen musst du dir erarbeiten, und für die Zeit brauchst du entweder einen Investor oder B2B-Gelder über Anzeigen. Wenn du dich für die B2B-Gelder entscheidest, verstehst du, warum ein Printmagazin die bessere Alternative ist. Das Zweite: Brand Building ist mit einem Magazin einfacher, weil es eine Haptik hat und die Preisbereitschaft eine andere ist: 9,80 EUR zahlst du nicht für ein E-Paper. Ansonsten vertreiben wir komplett digital, machen E-Commerce. Ein Printheft zu machen, heißt nicht, nicht digital zu sein.
Während Corona hatten wir auch Glück; niemand hatte mehr Lust, sich nach der immensen Bildschirmzeit abends noch mit einem Kindle hinzusetzen. Eine 25-Jährige hat mir 2021 geschrieben: „Ich hätte niemals gedacht, wie froh ich bin, abends auf der Couch zu sitzen und mein Printheft lesen zu dürfen.“ Das hat mir Mut gemacht!

Inwieweit muss man sich in Zeiten des digitalen Wandels auch in Bezug auf weitere zusätzliche Angebote und Produkte breiter aufstellen?
Unser Abo ist das wichtigste Vertriebselement, es wird auch nie rabattiert. Wir gestalten es mit weiteren Leistungen wie unseren Masterclasses, Prämien oder exklusiven Eventeinladungen für unsere Abonnent*innen stets attraktiver.

Ihr habt Ende 2022 euren Claim geändert, von „Das Wirtschaftsmagazin für Frauen“ in „Für alle, die Wirtschaft neu denken“, und als ihr euren ersten Mann Ali Mahlodji auf dem Cover hattet, gab es einen Aufschrei bei euren Abonnentinnen.
Wir haben mit Ali Mahlodji den ersten Mann aufs Cover geholt und den Claim geändert. Mir war immer bewusst, dass wir klar mit dem USP auf den Markt gehen müssen, dass es ein Magazin ist, das explizit für Frauen geschrieben ist. Daran hat sich nichts geändert. Wir hatten auch immer schon eine Männerquote von 30 % pro Ausgabe; wir haben immer schon Männer abgebildet.
Aber Sprache ist ein mächtiges Tool und damit auch Männer und Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, angesprochen werden, haben wir den Claim abgeändert. Der Mini-Shitstorm, der daraufhin losbrach, hat mich so wütend gemacht, dass ich ihn öffentlich gemacht habe! Wir haben sehr emotionale Kündigungen mit der Bemerkung ‚Ich bin sauer. Jetzt seid ihr nicht mehr meine Zeitschrift!` bekommen.
Am Ende machen Frauen damit genau das gleiche mit Männern, was Männer jahrhundertelang mit uns gemacht haben. Wir wollen keine Wirtschaft mehr, die komplett männlich ist, aber ich möchte auch keine Wirtschaft, die komplett von Frauen dominiert ist! Ich möchte eine diverse Gesellschaft! Eine Gesellschaft, in der jede und jeder dazugehört und gesehen wird.
Glücklicherweise erhielten wir auch wieder viele neue Abos von Leser*innen, die uns mit dem neuen Claim unterstützen. Und bei Ryan Reynolds auf dem Cover (er ist unser zweiter Mann) hatte sich unsere Community anscheinend schon daran gewöhnt. Hier kam kein Aufschrei. Auch das macht mir Mut.

Wolltet ihr das Thema Diversity dadurch fester in der Unternehmenskultur verankern?
Diversität muss ich nirgendwo draufschreiben; das ist für mich eine Selbstverständlichkeit!
Ein Beispiel, denn der Begriff hat so unendlich viele Perspektiven. Mein Vertrieb hat mich für verrückt erklärt, als wir Steffi Czerny, bei uns aufs Cover genommen haben, eine fünfundsechzigjährige weißhaarige Frau. Wir haben im Handel so wenig Hefte verkauft wie noch nie, aber im Abo haben wir gut verkauft. Unsere Leser haben unseren Mut unterstützt, Czerny ist schließlich eine der einflussreichsten Personen der Tech-Szene und erfand Deutschlands erste Tech-Konferenz.

Ihr habt die gleichnamige Rubrik im Heft. Was ist dein biggest Fuckup?
Wir haben letztes Jahr erstmals die Zeitschrift „STRIVE Campus“ für Studierende veröffentlicht, bei der wir mit einem externen Redaktionsteam gearbeitet haben. Leider waren in dem Heft 50 krasse Rechtschreibfehler drin und es war mir peinlich, es zu veröffentlichen. Wir haben es dann halbwegs nett gedreht, dass wir gesagt haben, „zu jedem Heft kriegst du ein korrektes E-Paper kostenlos dazu und kannst auf Fehlersuche gehen.“ Den Großteil der Auflage mussten wir dennoch verschrotten.

Zu welchem Thema hast du erst kürzlich deine Meinung geändert?
Ich war früher sehr gegen eine Frauenquote, aber ich finde, dass es ein Instrument braucht, und mir fällt kein Besseres ein. Die Frauenquote zeigt Erfolg, von daher ist sie leider noch vonnöten. Ich hoffe aber, dass sie irgendwann auch wieder abschaffbar ist.

Was bedeutet für dich Veränderung?
Ich merke, dass ich mit zunehmendem Alter nicht mehr jede Veränderung cool finde, aber ohne Veränderung entwickeln wir uns nicht weiter und ich bin ein Mensch, der sich immer weiterentwickeln möchte und gerne dazulernt. Veränderung bedeutet für mich eine Form von Flexibilität und auch Freiheit.

Inwieweit fördert ihr die Veränderungsbereitschaft und Kompetenz bei Mitarbeitenden?
Bei uns muss man das nicht fördern. Jede meiner Mitarbeiterinnen lernt, dass zwei Stunden am Tag für Unvorhergesehenes frei bleiben müssen. Dadurch möchte ich in der Lage sein, neue Ideen schnell umzusetzen.

Wie stärkt ihr die Resilienz der Mitarbeiterinnen bei zunehmendem Technologiestress?
Wir haben eine Mental Health Coach, quasi eine Coachin, die in Überlastungssituationen angerufen werden kann. Aber ich denke, ich bin da auch wahnsinnig gut selbst gecoacht, dass ich weiß, wie ich Druck geben aber auch wieder nehmen kann. Nur Druck, den ich selbst nicht verursache, kann ich schwer nehmen. Falls jemand weiß, wie das geht, möge er oder sie mich gern kontaktieren.

Du wirkst sehr energetisch, der Begriff Powerfrau passt zu dir. Du warst als Teenagerin auch mal Schlagersängerin, singst du aktuell noch zur Entspannung oder für Freunde?
Nur noch selten unter der Dusche oder im Auto. Ich habe das letzte Mal auf einer Hochzeit von sehr engen Freunden gesungen.

Gab es eine Option, es hauptberuflich zu machen?
Ich hatte das Glück, dass ich diesen Beruf sehr früh kennenlernen durfte, ich stand mit meinem Vater schon mit 14 Jahren auf großen Bühnen. Ich konnte schnell ausschließen, dass das ein Job ist, der mir auf Dauer Spaß bringen würde, weil man immer wartet. Du wartest auf eine Zusage, dann auf eine Stellprobe, als nächstes auf die Maske und schließlich auf den Auftritt. Für ein Drei-Minuten-Auftritt bist du nur am Warten – jeder, der mich, meine permanente Energie und geringe Geduld kennt, kann sich vorstellen, dass das nicht meins ist.
Außerdem finde ich es nicht gut, dass man fremdbestimmt ist. Man ist total abhängig von der Meinung anderer – von Manager*innen, vom Publikum etc. Es geht wenig um Qualität. Wenn du nicht in der A-Liga der Schlager- und Volksmusikwelt wie z. B. eine Helene Fischer mitspielst, macht es nur bedingt Spaß.

Wirst du auf die Zeit als Sängerin noch oft angesprochen?
Ich glaube, dass meinen bunten Lebenslauf viele cool finden: von der Schlagersängerin in die Politik und zum Unternehmertum. Es zeigt, du musst nicht immer alles vorher Jahrzehnte lang gemacht haben. Ich bin die klassische Quereinsteigerin – das gibt anderen Mut, es auch zu wagen.

Was ist deine Stärke, bzw. warum bist du erfolgreich?
Ich bin vor allen Dingen im B2B-Bereich immer sehr gut vernetzt gewesen. Das hat sehr geholfen, gerade beim Anzeigenbereich.
Ich glaube, durch mein ganzes Leben zieht sich ein roter Faden: das Thema Customer Centricity. Als Sängerin musste ich mir überlegen, wie muss ich einen Song aufbauen, damit ihn jemand hört. Bei der Personalberatung, wie muss ich ein Stellenprofil schreiben, damit Kandidat*innen es spannend finden. Als Verlegerin: wie muss ich pitchen, um Kund*innen zu gewinnen, und welche Geschichte schreiben, die unsere Community interessiert. Ich glaube, das ist mein größtes Talent.

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