Wer reagiert, kommt zu spät: Unternehmen auf dem Weg in eine neue Zeit
Dr. Guido Wolf, Leiter von conex. Institut für Consulting, Training und Management Support, steht uns im Gespräch Rede und Antwort zu den Herausforderungen für Unternehmen auf dem Weg durch die digitale Transformation. Gemeinsam wagen wir eine Bestandsaufnahme und erfahren von Herrn Dr. Wolf, wie Hindernisse auf dem Weg in die neue Zeit überwunden werden können.
- Herr Dr. Wolf, sind die Unternehmen hinsichtlich ihrer Kommunikationsarbeit aus Ihrer Sicht auf einem guten Weg? Wo stehen sie im Schnitt auf ihrem Weg durch die digitale Transformation – wird zumeist agiert oder reagiert?
Meinen Antworten auf diese und die weiteren Fragen möchte eine Art Gebrauchsinformation vorausschicken: Ich bin nicht in der Lage, eine fundierte Pauschalaussage im Sinne der Frage zu treffen. Ein solches Unterfangen wäre unseriös, denn ich kann eine Bewertung über „die Unternehmen“ nur vor dem Hintergrund meiner konkreten Erfahrungen vornehmen. Diese gewinne ich überwiegend in großen, zumeist global tätigen Konzernen bzw. Unternehmen. Hier wiederum stellt sich die Lage in Sachen Kommunikationsarbeit bezogen auf die digitale Transformation höchst unterschiedlich dar, was vornehmlich mit der jeweiligen Unternehmenssituation zu tun hat. Die ist nachvollziehbarerweise vom entsprechenden Marktumfeld geprägt, aber auch von der Interpretation interner Kommunikationsarbeit durch die Handelnden.
Wenig überraschend lautet vor diesem Hintergrund meine derzeitige Diagnose: Wir haben ein buntes Bild. Am positiven Ende des Spektrums sehe ich beispielsweise einen der weltweit größten Automobilhersteller, für den ich seit rund vier Jahren tätig bin. Hier sehe ich die Kommunikationsarbeit auf einem guten Weg. Das hat aus meiner Sicht zwei wesentliche Gründe: Zum einen geht es in einem global aufgestellten Konzern, der sich gerade in Hinsicht auf die digitale Transformation in vielfacher Weise mit disruptiven Veränderungen konfrontiert sieht, gar nicht anders, zumal der Anspruch lautet, gerade nicht Getriebener, sondern Treiber der (technologischen) Entwicklung zu sein. Zum anderen sind es keineswegs allein die explizit dafür eingerichteten Organisationseinheiten (also die interne Kommunikation), die die Kommunikationsarbeit leisten: Es sind prinzipiell alle und allen voran die Führungskräfte, die in die Pflicht genommen werden. Digitale Transformation bedeutet eben auch, dass Führungskräfte ihre Kommunikationsfunktion nicht nur im Rahmen der Prozesskommunikation, sondern auch als wahrnehmbare Repräsentanten der Unternehmensleitung wahrnehmen. Das hat man dort verstanden. Diese Sicht treffe ich jedoch anderenorts nicht durchgängig an. Hier steht eher die Suche nach neuen Antworten auf sehr neue (digital geprägte) Marktanforderungen im Mittelpunkt. Die interne Kommunikation spielt eine nachgeordnete Rolle.
Mein Fazit: Der Reifegrad der internen Kommunikation in Sachen digitaler Transformation korreliert unmittelbar mit dem Reifegrad, den das Unternehmen hinsichtlich des eigenen Geschäftsmodells erreicht. Am Ende ist das gar nicht so erstaunlich, denn dieses Prinzip galt bereits, bevor wir uns mit digitaler Transformation zu befassen hatten: Communication follows Business.
- Worin sehen Sie die größten Hindernisse für Kommunikatoren angesichts der digitalen Transformation?
Auch hier dürfte meine verallgemeinernde Antwort manchen Einzelfall nur eingeschränkt abbilden. Als größtes Hindernis für eine erfolgreiche Kommunikationsarbeit in Zeiten digitaler Transformation sehe ich die Einstellung der großen Mehrzahl der Kommunikatoren. Diese halten allen Mahnrufen zum Trotz eisern an ihrer tradierten Rolle als Medienmacher und Berichterstatter fest. Diese Selbstverzwergung reduziert die (Mit-)Gestaltungspotentiale gravierend. Da kann es vorkommen, dass ich stirnrunzelnd gefragt werde, was ich denn noch wolle, schließlich habe man bereits vor anderthalb Jahren ein Social Intranet eingeführt, das sogar genutzt werde. Wo solle da noch digital transformiert werden?
Mit dieser Einstellung werden die Kommunikatoren weder als gleichrangige Partner für die großen, das Unternehmen radikal neu konstruierenden Change-Projekte wahrgenommen; noch werden sie überhaupt aktiv, indem sie etwa aufzeigt, wie sie den von allen Seiten als kommunikativ getragenen Veränderungsprozess unterstützen können – und zwar gerade nicht nur durch Medienarbeit.
- Welche Maßnahmen empfehlen Sie Kommunikatoren, um diese Hindernisse zu überwinden?
In manchen Fällen empfehle ich dringend, mit der eigenen Weiterentwicklung an zwei selbstproduzierten Barrieren zu beginnen:
1. Den eigenen Mindset selbstkritisch hinterfragen. Mögliche Fragen, die sich die Kommunikatoren stellen sollten, sind etwa: Welche Beiträge leisten wir bisher zu den großen Veränderungsprojekten? Was wissen wir über die anstehenden Veränderungen, was wissen wir über die mittelfristige Ausrichtung unseres Geschäftsmodells und welche Aufgaben für die Zentralkommunikation (die wir betreuen) und die Prozesskommunikation (die die Führungskräfte vor Ort verantworten) resultieren daraus? Wie können wir künftig zur Prozesskommunikation beitragen, deren Bedeutung in Zuge der digitalen Transformation noch zunehmen wird? Aber auch: Was ist unsere Vision der Kommunikationsarbeit und wie ist diese verknüpft mit der Unternehmensvision?
2. Die eigene Kompetenz überprüfen und ausbauen. Ich treffe immer wieder an, dass Kommunikatoren zwar ihr Medienhandwerk beherrschen, darüber hinaus aber kaum Kompetenzen und Skills vorweisen können. So ist das Wissen über Ansätze und Methoden der Organisationsentwicklung, über Projektmanagement, über Interventionstechniken, über neue Arbeitsformen und -prinzipien nicht selten erstaunlich gering ausgeprägt. Motto: „Wir berichten zwar über Agilität, aber unsere eigene Arbeitsweise bleibt, wie sie ist.“ Nicht einmal die Produktions- bzw. Dienstleistungsprozesse innerhalb des Unternehmens sind näher bekannt.
Die in vielen (internen) Medien anzutreffende Botschaft, dass es auf lebenslanges Lernen und Weiterentwicklung der eigenen Perspektiven ankomme, scheinen manche Kommunikatoren für sich selbst nicht gelten zu lassen. Insofern lautet meine Maßnahmenempfehlung: Überwinden Sie Ihre eigenen Barrieren – und werden Sie aktiv.
.Dr. Guido Wolf arbeitet seit 1990 als Unternehmensberater, Trainer und Coach. Seit Gründung des conex. Instituts im Jahr 1998 begleitet Dr. Wolf große und mittelständische Unternehmen bzw. Konzerne verschiedener Branchen in ihren Veränderungsprozessen. Besondere Bedeutung kommt dabei der nachhaltigen Verankerung von Strategien und Managementansätzen durch effiziente und effektive Interne Kommunikation zu.