Buchtipp: „Kann KI Kommunikation?“

Richard Tigges, Autor und Director Global Strategic Communications bei Audi, zeigt wie die Einführung von GenAI in PR und Marketing gelingt.
Die Kommunikationsbranche steht mit Generativer Künstlicher Intelligenz (GenAI) an der Schwelle zu einer der größten Transformationen ihrer Geschichte. Sowohl technologisch als auch kreativ und strategisch herausgefordert, ist es eine Aufgabe von PR- und Marketing-Abteilungen, diese Technologien verantwortungsvoll und zielgerichtet zu integrieren.
In meinem Buch „Kann KI Kommunikation?“ gehe ich der Frage auf den Grund, wie GenAI nicht nur die Effizienz, sondern auch Qualität und Wirkung von Kommunikation auf ein neues Level heben kann. Während die GenAI-Revolution längst ins Rollen gekommen ist, biete ich konkrete Ansätze und Best Practices, wie Sie Ihre Abteilungen in wenigen Schritten fit für die KI-Zukunft machen können. Dabei geht es nicht darum, Aufgaben vollständig zu automatisieren, sondern darum, Mensch und Maschine gezielt zusammenzubringen, um echten Mehrwert zu schaffen. Vom Aufbau einer Botschaftenbibliothek bis zum Einsatz von Hyperpersonalisierung: Ich teile praxiserprobte Strategien, die Sie sofort umsetzen können – bis hin zum stimmigen Gesamtsystem statt einer Flut einzelner KI-Tools.
Die erfolgreiche Einführung von KI-Technologien beginnt mit einer klaren Roadmap. Studien zeigen, dass Unternehmen, die auf datengetriebene Entscheidungen setzen und KI systematisch in ihre Workflows einbinden, schneller Vertrauen in die Technologien entwickeln und Wettbewerbsvorteile realisieren. Dabei gilt es, zwischen sogenannten „Quick Wins“ – wie automatisierte Asset-Produktion oder maßgeschneiderte Inhalts-Empfehlungen – und langfristigen Veränderungen wie semantischer Medienanalyse und One-Voice-Policy zu unterscheiden (-> siehe Tabelle mit „Zehn Tipps für die Einführung Generativer Künstlicher Intelligenz“). Eine meiner Kernaussagen: „Kommunikation beginnt mit Präzision.“
Moderne PR und Marketing erfordern nicht nur emotionale und kreative Stärke, sondern auch strukturiertes Arbeiten. Eine Botschaftenbibliothek, zentral und teamübergreifend zugänglich, sorgt dafür, dass GenAI-Systeme immer „gut gefüttert“ sind. Denn der Output jeder KI ist nur so gut wie die Qualität des Inputs. Mit der Vektorisierung von Botschaften und der Anbindung großer RAG-Datenspeicher (Retrieval-Augmented Generation) schaffen wir zudem die Grundlage für umfangreichen Kontext, den KI-Modelle extrem schnell abrufen und nahtlos in ihre Arbeit einbinden können – unabhängig von Formulierungs- oder Sprachunterschieden. Einen weiteren Grundstein legen Sie mit der Nutzung von Prompt- und Formatbibliotheken, die Arbeitsabläufe standardisieren. Wer von Anfang an definiert, wie Blogartikel, Pressemitteilungen oder Social-Media-Posts aussehen sollen, macht KI-Content nicht nur konsistenter, sondern steigert auch die Produktivität seines Teams erheblich. Hier gibt es generische Angebote, aber auch die Möglichkeit des Customizing.
Hyperpersonalisierung: Maßgeschneiderte Kommunikation dank GenAI
Die vielleicht größte Errungenschaft von GenAI in PR und Marketing ist die Hyperpersonalisierung. Unsere Zielgruppen erwarten heute Kommunikation auf „N=1“-Niveau – das sind Inhalte, die gezielt auf Einzelne zugeschnitten sind, mit persönlichen Bezügen und einem Tonfall, der genau zu ihnen passt. Mit GenAI können Kommunikationsprofis das, was der E-Commerce-Bereich bereits vorlebt, auf die Dialoge mit Journalist*innen, Multiplikator*innen und Endkund*innen übertragen: individuelle Botschaften, angepasst an Interessen, Verhalten oder Präferenzen. Hyperpersonalisierung in der Unternehmenskommunikation bedeutet beispielsweise, dass Journalist*innen nicht mehr pauschale Pressemitteilungen erhalten. Stattdessen analysiert KI deren bisherigen Veröffentlichungen und Interessen und schlägt passgenaue Anspracheoptionen vor. Im Marketing wiederum wird der „digitale Zwilling“ des Kunden zur Realität: Automatisierte KI-Systeme erstellen Inhalte, die exakt auf die Bedürfnisse von einzelnen Nutzer*innen zugeschnitten sind – von personalisierten Trainingsinhalten bis hin zu maßgebenden Kaufempfehlungen. Doch die Technologie birgt auch Herausforderungen. In einer Welt, in der Algorithmen datenbasiert kommunizieren, stehen wir in der Verantwortung, Privatsphäre und Ethik kompromisslos zu wahren. Aus der Hyperpersonalisierung darf niemals ein Gefühl der Kund*innen entstehen, „auszuspioniert“ zu werden. Vertrauen ist im digitalen Zeitalter die wichtigste Währung der Kommunikation.
Veränderungen gelingen nur, wenn wir die beteiligten Menschen mitnehmen
Noch immer bestehen in vielen Teams Bedenken gegenüber KI – von Ängsten, die Kontrolle oder gar den Arbeitsplatz zu verlieren, bis hin zu Zweifeln an der Qualität von KI-generierten Inhalten. Um diese Widerstände abzubauen, ist es unerlässlich, eine offene Fehlerkultur und einen transparenten Change-Prozess zu etablieren. Meine Erfahrung zeigt: GenAI darf niemals als „Entweder-oder“-Lösung eingeführt werden. Vielmehr sollten wir diese Technologie begreifen als Ergänzung unserer Fähigkeiten, als Werkzeug, das uns repetitive, fehleranfällige Aufgaben abnimmt und Raum für strategischere und kreativere Arbeiten schafft. KI optimiert Prozesse und ist der Schlüssel zur datenbasierten Kommunikation, die auf allen Ebenen neue Chancen eröffnet. Schulung und Nachhaltigkeit bei der Anwendung spielen hierbei eine zentrale Rolle. Mit maßgeschneiderten Trainings – von virtuellen Medientrainings mit KI-Journalisten bis hin zu Szenario-Simulationen – machen Sie Ihr Team zukunftstauglich. Es geht darum, nicht nur die Technik, sondern auch die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln, um GenAI im beruflichen Alltag souverän einzusetzen.
Fazit: Die Zukunft ist hybrid
Die Einführung von Generativer Künstlicher Intelligenz ist eine Reise, kein Sprung. Unternehmen, die frühzeitig auf KI setzen, gewinnen nicht nur an Effizienz, sondern auch an Innovationskraft. Gleichzeitig bleibt der Mensch der kreative und strategische Motor, der Kontext, Sinn und vor allem Empathie einbringt. GenAI ist kein Jobkiller, sondern eine Möglichkeit, Kommunikation völlig neu zu denken. Die effektivsten und glaubwürdigsten Inhalte entstehen immer dann, wenn sich die Präzision der Maschine mit der Intuition des Menschen vereint. Wir müssen KI nicht fürchten – wir müssen lernen, sie klug zu nutzen.
Zehn Tipps für die Einführung Generativer Künstlicher Intelligenz (GenAI)
- Starten Sie mit einer Bedarfsanalyse
Identifizieren Sie die Bereiche, in denen GenAI den größten Mehrwert bieten kann. Ist es die Automatisierung von Content-Workflows? Die Analyse großer Datenmengen? Oder die Hyperpersonalisierung Ihrer Kundenkommunikation? Priorisieren Sie Anwendungen, die schnelle Erfolge (Quick Wins) versprechen und gleichzeitig strategisch relevant sind. - Bauen Sie eine Botschaftenbibliothek auf
Eine zentrale One-Voice-Botschaftenbibliothek ist die Grundlage für jede KI-gestützte Kommunikation. Sammeln Sie zentrale Aussagen, Zahlen, Daten und Fakten, die Ihre Marke definieren. Diese „Essenz der Kommunikation“ dient als Input für GenAI und sorgt dafür, dass generierte Inhalte konsistent, präzise und markengerecht bleiben. - Entwickeln Sie eine Promptbibliothek
Definieren Sie, wie Ihre zentralen Kommunikationsformate aussehen sollen – von Pressemitteilungen über Social-Media-Posts bis hin zu Reden. Diese Formatbeschreibungen helfen GenAI, Ihre Inhalte effizient und in der gewünschten Struktur zu erstellen. So vermeiden Sie, dass jedes Teammitglied von Grund auf neue Prompts schreiben muss. - Setzen Sie auf Hyperpersonalisierung
Nutzen Sie GenAI, um Inhalte auf eine neue Ebene der Individualisierung zu heben. Statt pauschale Pressemitteilungen oder Marketingbotschaften zu versenden, können Sie Journalisten, Multiplikatoren und Zielgruppen gezielt mit personalisierten Inhalten ansprechen. Analysieren Sie dabei Interessen, Schreibstile und Verhaltensmuster, um Ihre Botschaften passgenau zuzuschneiden. - Führen Sie Pilotprojekte durch
Bevor Sie GenAI großflächig einführen, starten Sie mit klar abgegrenzten Pilotprojekten. Testen Sie die Technologie in einem definierten Bereich, sammeln Sie Feedback und nehmen Sie Anpassungen vor. Erst nach einer erfolgreichen Pilotphase sollten Sie die Implementierung auf breiterer Ebene vorantreiben. - Schulen Sie Ihr Team
Die Einführung von GenAI erfordert ein neues Mindset und neue Fähigkeiten. Bieten Sie regelmäßige Schulungen, Tutorials und Praxis-Workshops an, um Ihr Team auf die Nutzung der neuen Tools vorzubereiten. Vermitteln Sie dabei nicht nur technische Kenntnisse, sondern auch ethische Leitlinien und den richtigen Umgang mit KI-generierten Inhalten. - Schaffen Sie ein Framework für Datenschutz und Ethik
Erstellen Sie klare Richtlinien für den datenschutzkonformen und ethischen Einsatz von GenAI. Klären Sie, wie sensible Daten verarbeitet werden, und stellen Sie sicher, dass Ihre KI-Systeme den gesetzlichen Vorgaben (z. B. DSGVO oder EU AI Act) entsprechen. Transparenz und Verantwortung sind entscheidend, um Vertrauen aufzubauen. - Implementieren Sie Feedback-Mechanismen
Sammeln Sie systematisch Rückmeldungen aus Ihren GenAI-Projekten und nutzen Sie diese, um Ihre Prozesse kontinuierlich zu verbessern. Fördern Sie eine offene Fehlerkultur, in der Probleme als Chancen für Innovation und Lernen verstanden werden. - Kennzeichnen Sie KI-generierte Inhalte
Automatisiert erstellte Inhalte sollten klar als solche gekennzeichnet sein. Dies schafft Transparenz und stärkt das Vertrauen Ihrer Zielgruppen. Künftige gesetzliche Regelungen wie der EU AI Act könnten dies ohnehin verpflichtend machen. - Denken Sie hybrid – Mensch und Maschine im Team
GenAI ist kein Ersatz für menschliche Kreativität, Empathie oder strategisches Denken. Die besten Ergebnisse entstehen, wenn Mensch und Maschine Hand in Hand arbeiten. Lassen Sie KI repetitive Aufgaben übernehmen, während Ihr Team sich auf strategische und kreative Tätigkeiten konzentriert.

Richard Tigges ist seit sechs Jahren Director Global Strategic Communications bei Audi. Mit seinem Team treibt er die datengetriebene Kommunikation voran und entwickelt Prognosemodelle im Bereich Predictive Communications. Als Experte für den Einsatz von KI in der Kommunikationsarbeit verbindet er jahrelange Erfahrung aus Journalismus, PR und smarten Technologien. Auf Kongressen europaweit tritt er als Redner und Impulsgeber auf.

Richard Tigges Buch „Kann KI Kommunikation?“ ist am 7. Februar 2025 über den Books on Demand Verlag erschienen und zeigt praxisnah, wie Generative KI das Berufsbild der Kommunikatoren neu definiert. (Cover: TOPTEXT 2025)