Kommunikationszentrierte Führung: Der Weg zu mehr Partizipation und Wirkung

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Nur rund 25 Prozent der Mitarbeitenden haben das Gefühl, dass die Kommunikation ihrer Führungskraft ihren Erwartungen und Bedürfnissen entspricht. Dabei meinen es Führungskräfte oft gut, verpassen jedoch im Alltag die Chance, Kommunikation als zentrales Führungsinstrument zu nutzen. Prof. Dr. Verena Wölkhammer gibt Tipps, wie effektive Kommunikation in der Führung funktionieren kann.

Erfolgreiche Führung bedeutet erfolgreiche Kommunikation

Bei meiner Arbeit treffe ich immer wieder auf engagierte Führungskräfte, die mit Leidenschaft bei der Sache sind. Sie wollen ihr Unternehmen voranbringen und Erfolge erzielen. Ihre Tage sind voll, die Kommunikation reduziert sich oft auf kurze Statements. Doch genau hier liegt das Problem. Eine Studie der Universität Stanford zeigt: Nur rund 25 Prozent der Mitarbeitenden haben das Gefühl, dass die Kommunikation ihrer Führungskraft ihren Erwartungen und Bedürfnissen entspricht. Führungskräfte werden 10-mal häufiger für zu wenig, als für zu viel Kommunikation kritisiert. Eine Studie des Gallup Instituts zeigt, dass Führungskräfte, die effektiv kommunizieren, nicht nur das Engagement, sondern auch die Produktivität steigern. Führungskräfte, die sich nur auf Effizienz konzentrieren, riskieren den Verlust von Verantwortung und Partizipation – und letztlich auch ein nachlassendes Engagement der Mitarbeiter*innen.

Klagen über unklare Entscheidungswege, Dienst nach Vorschrift und mangelnde Verantwortungsübernahme häufen sich. Dabei meinen es die Führungskräfte meist gut, aber gerade in der Hektik des Alltags verpassen sie die Chance, Kommunikation als zentrales Führungsinstrument einzusetzen. Stattdessen bleiben sie in der „Effizienzfalle“ stecken – und auch die eigene Freude an der Führungsrolle schwindet.

Hinzu kommt, dass in einer Welt, die sich durch die digitale Transformation rasant verändert, Führung und Verantwortungsübernahme neu gedacht werden müssen: Eigenverantwortliche Teams, agile Prozesse und hybride Arbeitsmodelle erfordern Führung bzw. Leadership auf kommunikativer Augenhöhe. Moderne Führungskräfte begleiten, moderieren und befähigen, sind Coach*in und Servant Leader*in.

Von innen nach außen: Kommunikation und Selbstverständnis

Führung ist mehr als Anweisung und Kontrolle. Sie erfordert Selbstwahrnehmung und Selbstführung. Welche kommunikativen Stärken habe ich? Wo habe ich blinde Flecken? Bin ich strategisch stark, verliere aber manchmal den Bezug zu den Menschen? Oder bin ich beziehungsorientiert, vernachlässige aber die strategische Klarheit? Die Antwort liegt im Blick nach innen: Führungskräfte müssen ihre kommunikativen Stärken und Schwächen reflektieren und ihre Überzeugungen, Werte und Motive hinterfragen und schärfen.

Übung zur Selbstwahrnehmung
Von innen nach außen: Reflektieren Sie Ihre Stärken und Schwächen in
Kommunikationssituationen.
Notieren Sie in zwei Spalten, wo Ihre kommunikativen Stärken liegen (z.B. Kontext
herstellen) und wo Ihre blinden Flecken sind (z.B. zu analytisch und zu wenig
empathisch). Nehmen Sie sich vor, eine Woche lang bei jeder Interaktion bewusst
darauf zu achten, wie sich Ihre Stärken und Schwächen zeigen. Tauschen Sie sich
anschließend mit einem Teammitglied oder Coach*in aus, um die Selbstwahrnehmung zu vertiefen.

Kommunikation und Zielarbeit: zielgerichtet zum Erfolg

Kommunikation ist dann effektiv, wenn sie messbare Ziele unterstützt. Zudem reicht es nicht, Feedback zu geben – es muss immer auch sichergestellt sein, dass es verstanden wird. Sei es im Rahmen von OKR (Objectives and Key Results) oder anderen Zielsystemen: Kommunikation muss zielorientiert und auf den Punkt gebracht sein, um im Alltag die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Übung zur Zielkommunikation
Kommunikation und Zielarbeit verbinden: Wie klar sind Ihre Ziele? Nehmen Sie sich in der nächsten Woche eine Stunde Zeit, um Ihre Teamziele mit den Unternehmenszielen abzugleichen. Stellen Sie sicher, dass Ihre Kommunikationswege dazu beitragen, diese Ziele zu erreichen. Bitten Sie Ihr Team aktiv um Feedback: Haben Sie das Gefühl, dass die aktuellen Ziele ausreichend bekannt und erreichbar sind?

Den richtigen Ausdruck finden: Erzählweise und Tonalität

Führungskräfte sollten ihre Ausdrucksweise bewusst wählen. Dabei spielt die Unternehmenskultur eine Rolle. Welche Sprachmuster sind vorherrschend? Welche Ausdrucksformen und Methoden passen zu welchem Anlass? Storytelling kann helfen, komplexe Sachverhalte verständlich zu machen, die richtige Tonalität stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden. Nicht der „laute Auftritt“ zählt, sondern der authentische Austausch.

Übung für eine öffnende und wertschätzende Sprache
Ersetzen Sie in der kommenden Woche gewohnte Ausdrucksweisen durch Formulierungen, die zum Mitdenken und gemeinsamen Gestalten anregen. Verzichten Sie bewusst auf Formulierungen, die direkt eingreifen oder das Gespräch unterbrechen. Versuchen Sie stattdessen, das Gehörte wertfrei zu wiederholen und gegebenenfalls anzuregen, das Thema gemeinsam weiterzuentwickeln. Statt „Das sehe ich anders, wir sollten…“ könnte man z. B. formulieren: „Interessant, ich hätte bisher eher an eine andere Lösung gedacht – was spricht aus Ihrer Sicht dafür?“. Notieren Sie täglich Ihre Eindrücke und reflektieren Sie, wie sich dieser Sprachgebrauch auf die Offenheit und Motivation im Team auswirkt.

Zeit für Kommunikation einplanen

Eine der größten Herausforderungen ist es, der Kommunikation Priorität einzuräumen. Führungskräfte müssen Zeit finden, um diese Aufgabe bewusst zu integrieren. Dabei geht es nicht nur um formelle Besprechungen, sondern um den alltäglichen Austausch. Die Reflexion der eigenen Zeitverwendung und der bewusste Einsatz von Kommunikationsformaten können dabei unterstützen.

Übung Zeit für Kommunikation
Zeit bewusst einplanen: Blocken Sie Zeit für Kommunikation. Planen Sie feste Zeiten im Kalender ein, in denen Sie sich bewusst auf Kommunikation konzentrieren. Dies kann das wöchentliche Teamgespräch, Einzelgespräche oder Zeit für Reflexion sein. Setzen Sie sich als Führungskraft das Ziel, mindestens 30 Minuten pro Tag für ungestörte, wertstiftende Kommunikation zu nutzen.

Kommunikationskanäle und -formate: Formate bewusst wählen

Ein zentraler Faktor erfolgreicher Führungskommunikation ist die Wahl der richtigen Formate. Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, geeignete Kommunikationswege zu finden, die zum eigenen Stil, zur Unternehmenskultur und zu den Bedürfnissen der Teams passen. In agilen Arbeitswelten kann es hilfreich sein, klassische Formate wie Meetings durch kürzere und häufigere Stand-ups zu ergänzen. Darüber hinaus sollten digitale Tools gezielt eingesetzt werden: Wann ist eine Nachricht im Chat angebracht, wann ein persönliches Gespräch? Führungskräfte müssen lernen, zwischen den verschiedenen Formaten zu navigieren und für jede Botschaft den passenden Kanal zu wählen. Für komplexe Sachverhalte eignen sich ausführlichere Präsentationen oder schriftliche Berichte, während emotionale oder kritische Themen besser im persönlichen Dialog besprochen werden.

Übung zur effektiven Formatwahl
Wählen Sie das geeignete Kommunikationsformat. Erstellen Sie eine Liste aller Kommunikationsformate, die Sie derzeit nutzen (Besprechungen, E-Mails, Chat, persönliche Gespräche etc.) Überlegen Sie für jedes Format, ob es für das Ziel und den Kontext geeignet ist. Setzen Sie sich für die kommende Woche das Ziel, gezielt Formate auszuprobieren, die besser zur Situation passen, z.B. ein „Listening Walk“ statt eines formellen Meetings.

Kontext herstellen und Perspektiven einfangen

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die kontinuierliche Kontextualisierung. Führungskräfte sollten immer wieder kommunizieren, wo das Team oder das Unternehmen aktuell steht: Bewegen wir uns in bewährten Strukturen oder beschreiten wir neue Wege? Diese Klarheit unterstützt nicht nur die Teamarbeit, sondern fördert auch das Vertrauen. Zudem hilft der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, blinde Flecken zu erkennen und unterschiedliche Perspektiven einzufangen, um einen umfassenderen Blick auf aktuelle Themen zu bekommen.

Übung zur Kontextualisierung
Kontext schaffen: Perspektivenvielfalt und Dialog fördern. Fragen Sie in Ihrer nächsten Besprechung oder in einer kurzen Umfrage im Team, wie die Mitarbeitenden den aktuellen Kontext verstehen: „Wo stehen wir als Team/Unternehmen gerade bei Thema xy?“ Nutzen Sie die Antworten, um eine gemeinsame Klarheit im Team herzustellen und blinde Flecken zu reduzieren.

Vom Effizienzdenken zu echter Wirksamkeit

Aber wie könnte es anders sein? Wenn sich Führungskräfte bewusst Zeit für Kommunikation nehmen, können sie eine ganz neue Art von Wirksamkeit erleben. Statt Brände zu löschen und durch den Alltag zu hetzen, schaffen sie Raum für echte Beteiligung und Engagement. Indem sie ihre Perspektiven erweitern, den Dialog suchen und analoge wie digitale Formate sinnvoll nutzen, entwickeln sie nicht nur ihr Team, sondern auch sich selbst weiter. Klarheit in der Kommunikation führt zu klareren Entscheidungen, besserer Zusammenarbeit und mehr Zufriedenheit – bei allen Beteiligten.

Neben der dynamischen Lösung akuter, kurzfristiger Probleme geht es auch darum, langfristig Prozesse, Strukturen und Kulturelemente zu fördern, in denen Teams gemeinsam wachsen und Befähigung erleben können. Die Führungskraft ist weniger gestresst, fühlt sich wohler in ihrer Rolle und erfährt eine neue Form der Wirksamkeit, die weit über das reine Managen von Aufgaben hinausgeht. Und ich bin sicher: Wer neu kommunizieren lernt, kann sich in seiner Führungsrolle ganz neu erleben.

Prof. Dr. Verena Wölkhammer ist Beraterin und Coach – seit über 20 Jahren unterstützt sie Führungskräfte, Teams und Unternehmen bei aktuellen Herausforderungen. Sie ist spezialisiert auf die Bereiche interne Kommunikation, Leadership, Change und Transformation, menschenzentrierte Organisationsentwicklung, agile Zusammenarbeit und Selbstführung. Mit ihrer Expertise in Kommunikationsmanagement und Wirtschaftspsychologie sowie als zertifizierter Business Coach (ICF) steht sie Organisationen und deren Mitarbeitenden auf Augenhöhe zur Seite, um den Anforderungen unserer Zeit und Arbeitswelt zu begegnen.

www.drverenawoelkhammer.de 

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